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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte
Autoren: Kristin Cashore
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einsah, dass Katsa es sowieso tun werde, mit oder ohne ihn, und sobald er sich überzeugt hatte, dass es dem König nicht schaden werde, wenn er nicht über jede Bewegung seines Meisterspions Bescheid wusste, öffnete er sich langsam und allmählich ihren Argumenten.
    Bei ihrem ersten Einsatz fing Katsa eine kleine Gruppe mitternächtlicher Plünderer ab, die der König von Estill auf sein eigenes Volk angesetzt hatte, und jagte die Fliehenden in die Berge. Es war der glücklichste und aufregendste Moment ihres Lebens.
    Als Nächstes befreiten Katsa und Oll eine Anzahl Jungen aus Wester, die in einer Eisenmine in Nander als Sklaven arbeiten mussten. Nach ein oder zwei weiteren Abenteuern sickerte die Neuigkeit von ihren Einsätzen in nützliche Kanäle. Einige von Olls Spionen traten der Sache bei, ebenso ein paar Gefolgsleute an Randas Hof, darunter Giddon. Dann Olls Frau Bertol und andere Frauen aus dem Schloss. Sie führten regelmäßige Sitzungen in versteckten Räumen ein. Bei den Beratungen herrschte eine Atmosphäre vonAbenteuer, von reiner, gefährlicher Freiheit. Es fühlte sich an wie ein Spiel, zu wunderbar, dachte Katsa manchmal, um wahr zu sein. Doch das war es. Sie redeten nicht nur von Subversion, sie planten sie und führten sie aus.
    Es war unausweichlich, dass sie im Lauf der Zeit Verbündete außerhalb des Reichs anzogen: Randas Grenzlords, die genug davon hatten herumzusitzen, während benachbarte Dörfer geplündert wurden, Lords aus anderen Königreichen und ihre Spione, und nach und nach auch andere Leute – Gastwirte, Hufschmiede, Bauern. Alle hatten genug von den verrückten Königen, jeder war bereit, ein kleines Risiko auf sich zu nehmen, um den Schaden zu verringern, den ihr Ehrgeiz, ihre Willkür und Gesetzlosigkeit anrichteten.
    In dieser Nacht in ihrem Lager an der Grenze zu Estill blinzelte Katsa hellwach in den Himmel und dachte darüber nach, wie groß der Rat geworden war. Er war gewachsen wie eine Ranke in Randas Wald.
    Sie hatte den Rat jetzt nicht mehr unter Kontrolle. Im Namen des Rats wurden Einsätze an Orten durchgeführt, an denen sie nie gewesen war, dazu ohne ihre Überwachung, und alles war gefährlich geworden. Ein unvorsichtiges Wort vom Kind eines Gastwirts, eine unglückliche Begegnung irgendwo in der Welt von zwei Menschen, die sie nie getroffen hatte, und alles würde in sich zusammenfallen. Dann gäbe es für sie keine Einsätze mehr, dafür würde Randa sorgen. Und dann wäre sie wieder nichts anderes als die brutale Handlangerin des Königs.
    Sie hätte dem fremden Lienid nicht vertrauen sollen.
    Katsa verschränkte die Arme über der Brust und schaute hinauf zu den Sternen. Gern hätte sie ihr Pferd geholt undwäre rund um die Hügel geritten. Das hätte sie beruhigt, sie müde gemacht. Aber es hätte auch ihr Pferd ermüdet, und sie wollte Oll und Giddon nicht allein lassen. Außerdem machte man so etwas nicht. Es war nicht normal.
    Sie schnaubte, dann horchte sie, um sicher zu sein, dass niemand aufgewacht war. Normal. Sie war nicht normal. Ein Mädchen, beschenkt mit der Gabe des Tötens, eine königliche Schlägerin? Ein Mädchen, das keinen der möglichen Ehemänner haben wollte, die Randa ihr aufdrängte, gutaussehende und geistreiche Männer, ein Mädchen, das Panik bekam beim Gedanken an ein Baby an ihrer Brust oder ein Kind, das ihre Füße umklammerte?
    Sie war nicht natürlich.
    Wenn der Rat entdeckt wurde, würde sie an einen Ort fliehen, an dem niemand sie finden konnte. Lienid oder Monsea. Sie würde in einer Höhle, in einem Wald leben. Sie würde jeden töten, der sie fand und erkannte.
    Sie würde auf das bisschen Kontrolle nicht verzichten, das sie über ihr Leben gewonnen hatte.
    Sie musste schlafen.
    Schlaf, Katsa, sagte sie sich. Du musst schlafen, du musst deine Kräfte schonen.
    Und plötzlich überkam sie Müdigkeit, und sie schlief.

Am Morgen zogen sie ihre üblichen Sachen an, Giddon den Reiseanzug, der einem Adjutanten von Randa zukam, und Oll seine Hauptmannsuniform. Katsa kleidete sich in eine blaue Tunika, gefüttert mit der orangefarbenen Seide von Randas Höfen, und die passende Hose dazu, die sie immer trug, wenn sie Randas Aufträge erfüllte. Mit dieser Kleidung war der König nur einverstanden, weil Katsa jedes Kleid beim Reiten verschliss. Randa stellte sich seine Kämpferin bei der Ausführung seiner Strafen nicht gern in zerrissenen, verschmutzten Röcken vor. Das wäre würdelos.
    Bei ihrem Auftrag in Estill ging es um
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