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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin
Autoren: Walden Conny
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wurde den Passagieren der »Bernsteinprinzessin« so ein längerer Weg durch das nördliche Burgtor am Dominikanerkloster vorbei durch eine Vielzahl enger Gassen erspart.
    Inzwischen war die gesamte Besatzung an Deck und stand in der Nähe der Reling – darunter auch die zwanzig Bewaffneten, die das Schiff während der Überfahrt begleitet hatten. Seit ein paar Jahren war es für den Reeder jeder Handelskogge verpflichtend, mindestens zwanzig Mann unter Waffen an Bord zu haben. Mit dieser Maßnahme wollte man endlich der grassierenden Piraterie Herr werden, worum man sich allerdings schon zweihundert Jahre lang mehr oder minder vergeblich bemüht hatte.
    Fast ein halbes Jahrhundert war es her, dass der berüchtigte Klaus Störtebecker und seine Vitalienbrüder im benachbarten Hamburg ihr verdientes Ende gefunden hatten – aber viele andere segelten in deren Fahrwasser und fanden hier und da sogar Landesherren, die ihnen Unterschlupf oder gar Kaperbriefe gaben, weil ihnen die Hanse ein Dorn im Auge war.
    Mit einem Ruck krängte die »Bernsteinprinzessin« gegen die Kaimauer. Der Mann, der am Bug gewartet hatte, sprang jetzt an Land und kam dort sicher auf. Ein zweiter folgte und zog sogleich sein Tauende stramm, um es anschließend mit
einem halben Schlag um einen der Poller an der Kaimauer zu schlingen und das Schiff damit zumindest vorläufig zu vertäuen. Auf einen Ruf hin wurde ein Fallreep herabgelassen.
    Â»Jetzt sind wir am Ziel«, sagte eine männliche, sonore Stimme dicht hinter Barbara. Die junge Frau wandte sich halb herum und sah in das wettergegerbte Gesicht ihres Vaters, dessen Augen sich durch das gleiche meergrüne Leuchten auszeichneten, wie man es auch bei Barbara finden konnte. Sein Bart war grau geworden, und in das Gesicht hatte sich bereits so manche Falte eingegraben. Heinrich Heusenbrink nannte man mit einer Mischung aus Respekt und blankem Neid auch den Bernsteinkönig. Er kaufte das Gold der Ostsee von den Rittern des Deutschen Ordens, die in den von ihnen beherrschten Ländern des Baltikums ein Monopol darauf hatten. Die Tatsache, dass jedes Stück Bernstein, das an den Küsten des Baltikums gefunden wurde, durch die Hände der Ordensritter ging, hatte sie reich und ihren Staat überaus mächtig gemacht. Aber der Orden verfügte nicht über die nötigen Handelsbeziehungen, um den Bernstein selbst weiter vermarkten zu können. Dafür sorgten Männer wie Heinrich Heusenbrink, der den Bernstein in großen Mengen dem Orden zu festgesetzten Preisen abkaufte, ihn schleifen ließ und schließlich an seine Handelspartner weiterverkaufte.
    Einer der wichtigsten dieser Partner war das Handelshaus Isenbrandt in Lübeck, von wo aus dieser wertvolle Schmuck seinen Weg in die ganze bekannte Welt fand.
    Â»Ich habe ein flaues Gefühl im Bauch«, gestand Barbara. Schon bei der Abfahrt im Hafen von Riga hatte sie sich nicht sonderlich wohlgefühlt, doch bisher hatte sie sich keine Schwäche anmerken lassen und über ihr Befinden geschwiegen.
    Â»Das kommt von der Seereise«, versicherte Heinrich Heusenbrink lächelnd.

    Â»Ja, vielleicht …«, murmelte Barbara. »Vielleicht ist es ja tatsächlich nur die Seereise – schließlich sind wir ja ganz schön durchgeschüttelt worden und außerdem noch halb erfroren!« Barbara wusste indes nur zu gut, woher dieses tiefe Unbehagen in Wahrheit kam. Alles in ihr sträubte sich gegen das, was ihr bevorstand, obwohl sie die logischen Argumente, die für eine Heirat mit Matthias Isenbrandt sprachen, durchaus nachvollziehen konnte und sie den Plänen ihres Vaters zunächst zugestimmt hatte.
    Auf sich gestellt war das Handelshaus Heusenbrink wohl nicht länger überlebensfähig. Noch stand man gut da. Noch galt Heinrich Heusenbrink als der Bernsteinkönig von Riga. Das alles hatte jedoch keine sichere Grundlage mehr.
    Barbara war das einzige überlebende Kind von Heinrich und Margarete Heusenbrink. Das bedeutete, dass sie eines Tages die Führung des Geschäfts übernehmen müsste. Heinrich hatte sie darauf nach Kräften vorbereitet, und sie verstand inzwischen gewiss mehr vom Bernsteinhandel als die meisten Kaufleute in Riga und Lübeck. Mit traumwandlerischer Sicherheit wusste sie beispielsweise den Wert der angebotenen Ware abzuschätzen, und gerade deshalb verließ sich Heinrich Heusenbrink hier bereits fast
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