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Die Bernsteinhandlerin

Titel: Die Bernsteinhandlerin
Autoren: Walden Conny
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Hauspersonal geöffnet.
    Barbara und Heinrich gingen gemessenen Schrittes in einen hohen Empfangsraum. An den Wänden hingen Gemälde, die die Leichtigkeit italienischer Meister zu imitieren versuchten. Eine breite Freitreppe führte in das Obergeschoss.
    Ein Diener stand bereit, um den Gästen die Mäntel abzunehmen, während gleichzeitig ein groß gewachsener, grauhaariger Mann mit falkenhaften Augen die Treppe langsam in Begleitung einer Frau herunterkam. Das war Jakob Isenbrandt, dessen durchdringender Blick Barbara einer kurzen Musterung unterzog und ihr dann mit einem verhaltenen Lächeln begegnete. Genau genommen kannte Barbara Jakob Isenbrandt weitaus besser als ihren zukünftigen Verlobten, denn wenn Jakob in Riga mit dem Bernsteinkönig über Geschäfte
verhandelt hatte, war sie in den letzten Jahren stets dabei gewesen, um zu lernen, wie solch ein Handel zu betreiben war.
    An Jakobs Seite schritt seine Frau Adelheid. Sie entstammte einer Kaufmannsfamilie aus Köln, und man sagte ihr ein herrisches Temperament nach.
    Jakobs Begrüßung war jovial und geschäftsmäßig, so, wie Barbara es von anderen Zusammenkünften mit ihm kannte. Er fand – ganz entgegen seiner sonst als nüchtern und spröde bekannten Art – sogar ein paar freundliche Worte, indem er sagte: »Mein Sohn ist gewiss zu seiner Wahl zu beglückwünschen!« Die Tatsache, dass es letztlich gar nicht die Wahl seines Sohnes gewesen war, sondern seine eigene, ließ er dabei geflissentlich außer Acht. »Ohne Zweifel werdet Ihr neuen Glanz in unser Haus bringen, Barbara.«
    Â»Ich danke Euch«, gab Barbara zurück und neigte dabei leicht den Kopf. »An Bord unserer Kogge habe ich sehr gefroren, aber Eure Gastfreundschaft wird mich sicher bald erwärmen.«
    Adelheid Isenbrandt hingegen machte gar nicht erst den Versuch, eine höfliche Unterhaltung zu beginnen. Da die meisten Rigaer Kaufmannsfamilien von Auswanderern aus Lübeck abstammten und es mannigfache Familienbande zwischen beiden Hansestädten gab, hatte Barbara immer wieder etwas von Adelheid Isenbrandt gehört. Sie galt als kalt, berechnend und äußerst intrigant. Manche meinten, dass sie nicht immer so gewesen wäre, sondern dass erst eine Folge von harten Schicksalsschlägen sie hatte so hart werden lassen. Acht Kinder hatte sie ihrem Mann geboren, von denen drei schon im Säuglingsalter verschieden waren. Eine Tochter war mit vierzehn Jahren an einer Entzündung des Unterbauchs qualvoll gestorben, und eine weitere Tochter hatte im Kindbett
das Zeitliche gesegnet, kurz nachdem sie die Frau eines wichtigen Handelspartners in Brügge geworden war. Ein Sohn namens Giselher, auf den Jakob Isenbrandt große Hoffnungen gesetzt hatte, war mit einer Kogge vor Flandern im Sturm untergegangen. Und erst im letzten Jahr war die von Anfang an sehr kränkliche Tochter Adelheid-Marie gestorben. Ein langwieriges hohes Fieber hatte sie einschlafen lassen, ohne dass die hoch angesehenen Ärzte, die von den Isenbrandts mit der Behandlung betraut worden waren, noch irgendetwas hätten ausrichten können.
    Einst war Adelheid angeblich als eine liebreizende und lebenslustige Person im Alter von sechzehn Jahren ins Haus der Isenbrandts nach Lübeck gekommen. Doch dieses junge Mädchen aus Köln existierte wohl nur noch in den Erzählungen jener, die sie damals schon gekannt hatten.
    Selbst im fernen Riga kursierten seit langem Erzählungen über die herablassende Art, mit der sie nicht nur Dienstboten behandelte, sondern bisweilen auch den einen oder anderen Geschäftspartner ihres Mannes. Über den eisigen, durchdringenden Blick, mit dem Adelheid Menschen zu mustern pflegte, hatten sich manche bei passender Gelegenheit lustig gemacht – aber wohl nur deshalb, weil sie weit genug von der Quelle dieses Übels entfernt waren und sich außerhalb ihres Einflusses glaubten.
    Jetzt ruhte dieser Blick auf Barbara, und der eisige Wind, den die junge Frau draußen zu spüren bekommen hatte, schien ihr in der Erinnerung im Vergleich mit Adelheids kalter Arroganz gar nicht mehr so schlimm gewesen zu sein.
    Adelheid Isenbrandts Gesicht war von vornehmer Blässe. Auch wenn der unermessliche Reichtum ihrer Familie auf dem Seehandel gründete, so hatte sie selbst in ihrem ganzen Leben nie ein Schiff betreten. Die graublauen Augen wirkten
stählern, und unwillkürlich schauderte es
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