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Die Burg der flammenden Herzen

Die Burg der flammenden Herzen

Titel: Die Burg der flammenden Herzen
Autoren: Katy Cooper
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1. KAPITEL
    L ondon, Juli 1521
    Sebastian Benbury betrat die Stufen am Themseufer, die zur Londoner Residenz des Earl of Wednesfield führten. Als er durch den Garten auf die Tür zuschritt, die auf den Fluss hinausging, ahnte er noch nicht, dass in den Mauern von Coleville House Unheil drohte.
    Mit den hundert Fenstern, die in der goldenen Julisonne glitzerten, und dem weit in den Himmel ragenden Dach bot das Haus den gewohnten Anblick. Er folgte dem gewundenen Weg vorbei an Kräutern und Blumen und betrat schließlich einen Korridor aus Wandschirmen, der ihm nach dem grellen Sonnenlicht stockdunkel vorkam. Zu diesem Zeitpunkt konnte Sebastian noch nicht wissen, dass sein Leben sich unwiderruflich ändern sollte.
    Er blieb im Korridor stehen und blinzelte, um besser sehen zu können. Aus der Dunkelheit vernahm er die Stimme eines Dieners, der ihn fragte, ob er wünsche, gemeldet zu werden. Sebastian schüttelte den Kopf und bedeutete dem Bediensteten, sich zurückzuziehen. Unlängst hatte er seine Stellung bei Hofe aufgegeben, und solange er noch in London weilte, war er in Coleville House gern gesehen und genoss die großzügige Gastfreundschaft des Earl of Wednesfield. Man brauchte seine Ankunft daher nicht zu melden.
    Als seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, hörte er einen Mann in der Empfangshalle sprechen. “Warum trägst du Schwarz, Bea?”
    Die Stimme klang fremd, doch Sebastian beschlich das unbestimmte Gefühl, den Sprecher zu kennen. Wie war das möglich? Er kannte keinen engen Vertrauten von Beatrice Coleville Manners, der sie bei ihrem Kosenamen rief; zudem schien der Fremde auch nicht zu wissen, dass sie erst seit kurzem verwitwet war.
    “Mein Gemahl starb vor zwei Wochen. Möge Gott seiner Seele Ruhe geben”, antwortete Beatrice mit ihrer tiefen, weichen Stimme. Der Klang rief widerstreitende Gefühle in Sebastians Brust hervor. Schmerz und Zorn waren so in einander verwoben, dass er die Empfindungen nicht zu trennen vermochte. Doch er fasste sich wieder und verstand es geschickt, die Gefühle zu unterdrücken.
    “Dann ist Sebastian Benbury tot?” fragte der Fremde.
    Tot? Wer war dieser Unbekannte, der davon ausging, dass es sich bei dem verstorbenen Gemahl von Beatrice nur um Sebastian handeln konnte? Er bekreuzigte sich bei der unheilvollen Bemerkung des Fremden und ging durch die Öffnung des Wandschirms in die Empfangshalle. “Ich bin so lebendig wie jeder hier in diesem Raum. Wer behauptet, ich sei tot?”
    Rasch blickte er auf Beatrice’ Schwester Cecilia und ein ihm unbekanntes Paar an ihrer Seite, bevor er Beatrice ansah, die kühl und unnahbar in ihrer Trauerkleidung wirkte. Die Frau, die er einst geliebt hatte.
    “John sagt es”, erklärte Cecilia.
    Erneut ruhte Sebastians Blick auf dem fremden Mann. Sein Herz begann schneller zu schlagen, als habe sein Körper den Unbekannten eher erkannt als seine Augen. Doch dann wusste er es. Der Fremde war Beatrice’ Bruder, John Coleville. Er hatte England vor fünf Jahren verlassen und wusste daher vermutlich nicht, dass Beatrice mit Thomas Manners vermählt worden war. Deshalb war ihm der Irrtum unterlaufen, als er von ihrem verstorbenem Gemahl gesprochen hatte.
    John war heimgekehrt.
Die Wucht der Erkenntnis traf Sebastian unvermittelt, und ein fröhliches Lachen entfuhr ihm, das alle anderen Gefühlsregungen vergessen machte. John war ihm stets ein Gefährte und Freund gewesen und hatte für ihn all das verkörpert, was einen Bruder auszeichnet. Sebastian eilte auf ihn zu, um ihn in die Arme zu schließen. Er musste mit seinen Händen greifen, dass John wahrhaftig heimgekehrt war.
    “Gott sei Dank! Gott sei dafür gedankt!” rief er aus, doch die Worte reichten nicht aus, um seine Freude kundzutun.
    In seinem überwältigenden Glücksgefühl nahm er erst nach einem Moment wahr, dass John weder lachte noch die Umarmung erwiderte. Auch Sebastians Lachen schwand, und verwirrt ließ er von seinem alten Gefährten ab.
    “Du scheinst nicht begeistert, mich wiederzusehen, mein Freund. Was bedrückt dich?”
    “Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue”, erwiderte John grimmig und packte Sebastians Handgelenke.
    “Das sieht man dir an”, meinte Sebastian ironisch und löste sich aus Johns Griff. “Es kann unmöglich die Trauer um den armen Thomas Manners sein, die dich so finster dreinblicken lässt. Du hast den Mann nie kennen gelernt. Komm, sag es mir, sag es uns allen. Warum dieses lange Gesicht?”
    “Weil Bea sagt, sie
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