Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Befreier von Canea

Die Befreier von Canea

Titel: Die Befreier von Canea
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
hervor und damit die Silbermünze, die daran hing. Das Geldstück warf er ins Wasser: »Hör mich, kleiner Fluss, und bringe rasch Nachricht zu deinem Herrn.«
    Einige Augenblicke lang ereignete sich nichts. Ehren wollte schon aufgeben und weiterziehen, als sich das Wasser rührte, in die Höhe stieg und das Abbild von Gaius Sextus, dem Ersten Fürsten von Alera bildete.
    Gaius war ein großer, stattlicher Mann, dem Anschein nach in den späten Vierzigern, wenn man das Silberhaar außer Acht ließ. In Wahrheit war der Erste Fürst bereits über achtzig, doch wie bei allen mächtigen Wasserwirkern verriet sein Körper viel weniger Anzeichen seines wahren Alters als bei anderen Aleranern. Zwar lagen seine Augen tief in den Höhlen und wirkten müde, dennoch funkelten Klugheit und unbezähmbare Willenskraft darin. Die Wasserskulptur wandte sich Ehren zu, runzelte die Stirn und sprach.
    »Ritter Ehren?«, fragte Gaius. »Bist du das?« Seine Stimme klang eigenartig, als spreche er durch einen langen Tunnel.
    »Ja, Majestät«, erwiderte Ehren und neigte den Kopf. »Ich habe dringende Neuigkeiten.«
    Der Erste Fürst gab ihm einen Wink. »Berichte.«
    »Majestät. Die Vord sind hier in der Wildnis südwestlich der Ödnis von Kalare aufgetaucht.«
    Gaius’ Miene erstarrte, die Anspannung erfasste auch seine Schultern. Er beugte sich leicht vor und blickte Ehren aufmerksam an. »Bist du sicher?«
    »Vollkommen. Und das ist noch nicht alles.«
    Ehren holte tief Luft.
    »Majestät«, sagte er leise, »sie haben Elementarwirken gelernt.«

1

    Auf Tavis früheren Reisen übers Meer hatte es stets mehrere Tage gedauert, bis er sich von der Seekrankheit erholt hatte – aber diese Fahrten hatten ihn bislang nicht auf die Weiten des Ozeans geführt. Es gab, so hatte er festgestellt, einen riesigen Unterschied, ob man innerhalb eines Tages die Küste entlang segelte oder sich tatsächlich hinaus aufs tiefe Meer wagte. Er hätte nicht geglaubt, wie hoch sich die Wellen hier draußen in der unendlichen Weite auftürmten. Häufig erschien es ihm, als fahre die Schleiche einen großen blauen Berg hinauf, um ihn auf der anderen Seite, sobald der Kamm erreicht war, wieder hinunterzurutschen. Mit Hilfe des Windes und der Erfahrung von Demos’ Halunken-Mannschaft blieben die Segel immer voll, und schon bald hatte die Schleiche die Führung in der Flotte übernommen.
    Auf Tavis Befehl hin überholte Demos jedoch nicht die Treues Blut , das Flaggschiff des Canim-Führers Varg. Demos’ Männer ärgerten sich über diese Anordnung, wie Tavi nicht entging. Obwohl die Treues Blut für ihre Größe ein unglaublich elegantes Schiff war, bewegte sie sich im Vergleich zur Schleiche wie ein Flusskahn voran. Demos’ Mannschaft hätte den Canim liebend gern gezeigt, was in ihrem Schiff steckte, und den riesigen schwarzen Segler das Heck von hinten sehen lassen.
    Tavi war beinahe versucht, es zu erlauben. Er war überhaupt für alles, das diese Reise beschleunigen würde.
    Die höheren Wellen hatten ihn noch empfindlicher werden lassen auf alle Bewegungen, und trotzdem hatte die Krankheit gnädigerweise nach den ersten fünf Tagen des Leidens nachgelassen. Allerdings hatte sie nicht vollständig aufgehört, und Essen blieb weiterhin ein heikles Unterfangen. Er konnte ein wenig Brot bei sich behalten, auch dünne Brühe, mehr jedoch nicht. Außerdem litt er unablässig unter Kopfschmerzen, die ihn jeden Tag reizbarer werden ließen.
    »Kleiner Bruder«, knurrte der graue alte Cane, »ihr Aleraner habt ein kurzes Leben. Bist du schon so alt und schwach, dass du mitten im Unterricht ein Nickerchen machen musst?«
    Aus der Hängematte, die zwischen den Balken in der kleinen Kabine hing, ließ Kitai ein silbrig tönendes Lachen erklingen.
    Tavi riss sich aus seinem Tagtraum los und sah Gradash an. Der Cane besaß eine Eigenschaft, die Tavi von den Angehörigen der Kriegerkaste eigentlich nicht kannte: Er war alt. Wie Tavi wusste, lebte Gradash bereits über neun Jahrhunderte nach Zählweise der Aleraner, und mit dem Alter war der Cane auf die jämmerliche Größe von sieben und einem halben Fuß geschrumpft. Seine Kraft war nur noch ein schwacher Abglanz dessen, was er in seinen besten Kriegerjahren zu bieten gehabt hatte. Nach Tavis Einschätzung war er heute kaum drei- oder viermal stärker als ein Mensch. Sein Fell hatte sich fast vollständig silbrig gefärbt, und nur an einigen wenigen nachtschwarzen Stellen, an einem bestimmten Muster von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher