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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tilman Röhrig
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kennen.«
    Am Ecktisch wurde es still. Ein älterer, zerlumpter Mann stand auf Langsam ging er auf Mathias zu, packte ihn am Jackenärmel und drehte ihn zum Licht. »Dich kenn ich, aber ich weiß nicht woher.«
    »Ich bin der Mathias aus Grefrath.«
    Der Alte stutzte, dann lachte er und boxte den jungen Mann vor die Brust. Er traf einen der Dukatenbeutel, den Mathias unter der Uniformjacke trug. »Du hast Geld«, sagte Gerards leise, und zu Karl Hasselt gewandt: »Ich hab dem Jungen beigebracht, wie man Geldbörsen klaut. Ich hab ihm gezeigt, wie man die Reichen schlagen muss, damit die nicht schreien.« Sabine war inzwischen hereingekommen. »Komm, ich zeig dir die Schlafkammer.« Gerards ging an den Ecktisch zurück. Das halblaute Gespräch setzte wieder ein.
    Über eine Stiege kamen sie in die Schlafkammer unter dem Dach. Dort lagen zehn prall mit Stroh gestopfte Matratzen auf dem Boden, neben jeder stand ein hoher Holzkasten. Auf vier Schlafplätzen waren die Decken zerwühlt, und aus einem der Kästen ragte ein Gewehrlauf, aus anderen hingen dicke Stricke. Sabine zeigte auf die Matratze an der hinteren Wand. »Da kannst du schlafen.« Sie sah ihm zu, wie er den Deckel seines Kastens hob und das Kleiderbündel hineinwarf. Dann untersuchte er die Nähte der Matratze.
    »Was machst du da?«
    »Nichts. Ich wollt nur …«, er stockte und strich über die Ausbuchtungen seiner Uniformjacke.
    »Hast du da dein Geld versteckt?« Mathias fuhr herum. Sabine schwieg erschreckt. Einen Moment lang hatte sie Angst, er würde sie schlagen. Dann lächelte er plötzlich und nickte. »Ich muss das Geld verstecken.« Sabine ging zu ihm und legte zögernd ihre Hand auf seinen Arm. »Gib es mir. Ich versteck es im Schuppen unter einem alten Fass. Da findet es keiner.«
    Er schwieg und sah sie prüfend an. Nach einer Weile knöpfte er die Jacke auf Vier Leinenbeutel hingen an Riemen über seinen Schultern. »Nur Golddukaten.« Er lachte stolz.
    Sabine nahm das Geld und drehte sich um. Er riss sie zurück. »Wenn du mich reinlegst, bring ich dich um!« Sie sah ihn nur an. Sabine zog ihre Holzschuhe aus und schlich über die Hintertreppe in den Hof. Erst im Schnee zog sie die Pantinen wieder an. Im Schuppen rollte sie eins der alten Fässer zur Seite, kniete sich auf den hart gefrorenen Boden und hob ein Brett auf Hier verbarg sie ihren Schatz. Es war Geld, das sie von den Gästen geschenkt bekommen hatte, und Geld, das sie den Gästen gestohlen hatte. Sie legte die vier Dukatenbeutel dazu.
    Am nächsten Tag arbeitete Sabine schon seit dem frühen Morgen in der rauchschwarzen Küche. Ihr Gesicht war gerötet von der Hitze des Feuers. Immer wenn sie Holz nachlegte, schlugen die Flammen durch den Spalt der auseinander geschobenen Herdplatten. Sie dachte an Mathias. Sie hoffte, dass er in die Küche käme, um sie zu sehen, doch er kam nicht. Er saß bei den grölenden Gästen im Schankraum. Im Laufe des Vormittags waren zehn zerlumpte Männer eingetroffen, die alle mit Franzis Gerards verabredet waren. Sabine kochte in einem großen Kessel Fleischsuppe. Plötzlich wurde die Küchentür aufgestoßen. Sabine drehte sich lächelnd um, wandte sich aber enttäuscht wieder zum Herd, als sie den Mann erkannte. Sie mochte den schlanken, stutzerhaft gekleideten Kerl nicht. Er war ihr zu schön und zu eitel.
    »Freust du dich nicht?« Adolph Weyers trat hinter sie, fasste ihre Schultern und versuchte, sie an sich zu ziehen. Sabine schlug mit der Schöpfkelle nach ihm. Suppe spritzte. Adolph Weyers sprang zurück. Er wischte sich die heißen Tropfen aus dem Gesicht, und fluchend versuchte er, die Flecken von seinem Mantel zu reiben. Sabine fauchte: »Fass mich nicht an! Verschwinde!«
    »Na warte, du Biest, ich bekomm dich doch!« Er knallte die Tür hinter sich zu.
    Gegen Mittag kam ihr Vater mit einem der Gäste in die Küche. Die Männer hoben gemeinsam den großen Kessel vom Herd und trugen ihn in den Schankraum. Heute hatte Karl Hasselt seiner Tochter verboten, in den Gastraum zu gehen. Sie sollte nicht zu viel von den Plänen wissen.
    Am späten Nachmittag hörte Sabine, wie die Männer lärmend über den Hof in den Schuppen gingen. Sie dachte an ihr Versteck und die Dukaten von Mathias. Schnell lief sie nach draußen. Der Schnee war zertrampelt. Durch die geöffnete Schuppentür konnte sie sehen, dass niemand das Fass verschoben hatte. Die Männer kamen mit Stricken und Stöcken aus dem Schuppen, einige hielten schwarze Pechfackeln in den
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