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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Tilman Röhrig
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und duckte sich an den Wegrand. Jetzt konnte er die vier Pferde deutlich sehen. Am Fuß der Steigung wurden sie langsamer.
    Mathias sprang aus dem Graben. Das Hinterrad knirschte an ihm vorbei. Er klammerte sich mit der linken Hand an den Eckholm der Ladefläche, lief mit, wurde fast geschleift. In der freien Hand hielt er das Messer. Mit zwei Schnitten durchtrennte er die Lederriemen, die den letzten Koffer hielten. Der Geldkoffer kippte. Mathias ließ los und stürzte gleichzeitig mit seiner Beute auf den verharschten Fahrweg. Dabei verstauchte er sich die Hand.
    Die Soldaten hatten nichts gemerkt. Der Postwagen rollte weiter.
    Noch auf dem Boden liegend, packte Mathias den Koffer. Er zerrte ihn in den Graben. Seine rechte Hand schmerzte heftig. Hermann Plötz und Peter Hefrich rannten auf ihn zu. Rasch setzte er sich auf seine Beute.
    »Hol mein Messer von der Straße«, befahl er Hefrich.
    »Plötz, bring mir meinen Mantel, sonst gibt’s kein Geld.«
    Die beiden waren größer und stärker als er, sie sahen sich an. Nach ein paar Sekunden ging Hefrich ohne ein Wort auf den Fahrweg und suchte das Messer. Plötz holte den Mantel. Mathias ließ die beiden den Geldkoffer tragen. Die schmerzende Hand bewegte er vorsichtig in der Manteltasche.
    Weit auseinander gezogen glühten noch kleine Wachfeuer. Mathias, Plötz und Hefrich schlichen unbemerkt an den schlafenden Wachen vorbei. Am äußersten Feuer rief Mathias leise: »Halt, hier stört uns keiner.«
    Im Widerschein der Glut versuchten sie, den Koffer zu sprengen. Erst als Plötz mit einem Stein auf die Riegel schlug, gaben die Schlösser nach. Plötz und Hefrich schoben Mathias einfach zur Seite. Hefrich riss den Deckel hoch, Plötz fiel auf die Knie, sie starrten stumm auf den Inhalt: Prall gefüllte Leinensäcke waren dicht um einen kleinen Kasten gepackt.
    Mathias fasste sein Messer mit der linken Faust, warf sich zwischen die beiden Soldaten und stach in einen der Beutel. Dukaten quollen heraus. Hefrich griff mit beiden Händen nach dem Geld. »Ich bin reich!«
    Mathias setzte ihm die Spitze des Messers auf den Handrücken. »Weg!«
    Plötz umklammerte den Stein und holte weit aus. Da setzte Mathias Hefrich die Klinge an den Hals. »Weg! Ich teile!«
    Hermann Plötz ließ den Stein fallen. Mathias stieß Hefrich vor die Brust. Dann griff er nach einem der Geldbeutel. Langsam entzifferte er: »Einhundert Dukaten«.
    Es waren achtundzwanzig Leinensäcke in dem Koffer. Mathias teilte die Beute in drei Haufen. Ein Beutel blieb übrig. »Ich nehm noch den letzten.« Er sah die beiden lauernd an, doch sie widersprachen nicht. Dann zerschnitt er die Lederriemen, die um den kleinen Kasten geschnallt waren. »Glassteine«, sagte Mathias enttäuscht. Hefrich ließ die Steinchen durch die Finger rieseln. »Wertlos«, sagte er. Plötz nahm den Kasten und warf ihn ins Feuer. Einige Diamanten glitzerten in der Glut. Den leeren Geldkoffer versteckten sie hinter den Baracken.
    Eine Stunde nach dem Morgenappell brachte ein Bote die Nachricht von dem Überfall ins Lager.
    »Es muss eine Räuberbande gewesen sein«, berichtete der Mann. Mathias grinste verstohlen, als er das hörte, und lief in die Baracke. Er nahm einen seiner Dukatenbeutel und ging nach Arnheim. Bei einem Trödler kaufte er sich eine wärmere Uniform. In die Stiefelschäfte ließ er kleine Felle stecken. Er suchte noch einen schwarzen Mantel, einen Säbel und warme Handschuhe aus, zog sich um und überließ die alten Sachen dem Trödler. Seine rechte Hand war geschwollen und blaurot angelaufen. Er ging zum Bader und ließ sich eine Heilsalbe geben.
    Als er ins Lager zurückkam, sah er Plötz und Hefrich zwischen grölenden Kameraden stehen. Branntweinflaschen kreisten von einem zum anderen. Plötz schrie betrunken: »Trinkt! Ich lade euch die ganze Woche ein. Ich habe Geld genug.«
    Ein Unteroffizier hatte die Gruppe beobachtet. Mathias sah, wie er auf Hefrich zuging und ihm auf die Schulter tippte, ihn am Mantel packte und ihn auf die Seite zog. »Woher habt ihr plötzlich so viel Geld?«
    Hefrich schwankte. »Gefunden. Lauter schöne Dukaten.«
    Der Unteroffizier zog die Pistole und forderte Hefrich auf mitzukommen. Mathias rannte auf die beiden zu, stellte sich in den Weg und sagte drohend zu dem Unteroffizier: »Wir sind viele.« Dann nahm er den halb leeren Leinenbeutel aus dem Mantel. »Das ist für dich. Lass ihn laufen und halt’s Maul.« Der Mann zögerte nicht lange. Er versteckte den Beutel und
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