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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte
Autoren: Ian Banks
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nötig.«
    »Gut«, sagte ich. »Ich fürchte, ich werde außerdem nicht aktiv an dem Fest der Liebe teilnehmen – nicht, daß ich es müßte, Morag und Ricky werden auf dem Fest heiraten. Ich persönlich fühle mich noch nicht dazu bereit. Ich kann nicht sagen, ob ich mich je dazu bereit fühlen werde. Wir werden sehen.« Ich machte eine kurze Pause, dann fuhr ich fort. »Es tut mir leid.«
    Er schien mich nicht gehört zu haben, denn er zuckte nur die Achseln und schüttelte den Kopf.
    »Was immer du willst«, erwiderte er leise.
    »Gut«, sagte ich und spürte, wie mich ein sonderbares, aber auch kaltes Hochgefühl durchströmte. »Also«, erklärte ich und stützte die Hände auf meine Knie. »Wollen wir wieder zurückgehen?«
    »Ja«, erwiderte er und stand mit mir auf. Am Himmel über uns trillerte eine Lerche.
    »Wir werden in die Bibliothek gehen und Allan zu uns bitten«, erklärte ich. »Mal sehen, wie er reagiert. In Ordnung?«
    »In Ordnung«, kam die tonlose Antwort.
    »Gut.« Ich setzte mich Richtung Herrenhaus in Bewegung, bis ich bemerkte, daß er mir nicht folgte. Ich drehte mich um und sah, wie er mich mit einem merkwürdigen Lächeln auf den Lippen anschaute. »Ist etwas, Großvater?« fragte ich.
    Er nickte geistesabwesend und kniff die Augen zusammen. Ich spürte, wie Angst in mir hochschoß, während mir durch den Sinn ging, daß er das Ganze vielleicht etwas zu ruhig aufgenommen hatte und daß er nun zusammenbrechen, schreien und brüllen oder mich sogar körperlich angreifen würde.
    Ich spannte die Muskeln an, bereit zur Flucht.
    Sein Lächeln wurde breiter, und sein Blick wanderte über mein Gesicht, so als sähe er mich zum ersten Mal. Mit so etwas wie Bewunderung in seiner Stimme sagte er: »Aye.« Er nickte abermals. »Aye, du bist wirklich meine Enkelin, stimmt’s?«
    Wir sahen einander einen Moment lang in die Augen, dann lächelte ich und streckte den Arm aus. Er zögerte, dann ergriff er ihn, und wir gingen langsam, Arm in Arm, zurück zum Haus.

 
Kapitel
Neunundzwanzig
     
     
    »Was?« brüllte Allan.
    »Beichte«, wiederholte ich gelassen. »Oder Exil. Ich will, daß du dich vor allen hinstellst, heute abend, und beichtest, daß du sie betrogen und benutzt hast, daß du Lügen über mich verbreitet hast, daß du mich belogen hast, daß du Morag belogen hast, daß du unseren Gründer belogen hast, daß du alle belogen hast.«
    »Leck mich am Arsch, kleine Schwester!« donnerte Allan; er stürmte vom Fenster weg, wo ich mit Morag, Sophi und Ricky stand. Er marschierte mit ausholenden Schritten zur gegenüberliegenden Seite der Bibliothek, während er sich mit gespreizten Fingern die Haare raufte. Als er zu Großvater kam, drehte er auf dem Absatz um; Großvater saß in einem Sessel neben der geschlossenen Tür zur Eingangshalle. Zhobelia war noch immer im Klassenzimmer und unterhielt sich mit den Kindern. Der Vollmond-Gottesdienst war noch immer unterbrochen; Calli las für die versammelte Gemeinde aus der Orthographie, während wir in der Bibliothek, direkt neben dem Klassenzimmer, unser Konklave abhielten. Ich fühlte mich hier wohl, umgeben von Büchern und ihrem muffigen Geruch.
    Allan fiel vor Großvater auf die Knie, packte mit den Händen die Armlehnen des Sessels und rüttelte daran. »Salvador! Gründer! Großvater!« schrie er. »Laß nicht zu, daß sie das tut! Kannst du denn nicht sehen, was sie im Schilde führt?«
    Großvater schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. Er murmelte etwas, aber ich konnte nicht verstehen, was es war.
    Allan sprang wieder auf und kam auf mich zugestürmt, eine Faust geballt und an die Schulter erhoben. Ricky, der offensichtlich akzeptiert hatte, daß Allan der böse Bube in diesem ganzen Spiel war, knurrte und stellte sich ihm in den Weg. Allan blieb ein paar Schritte vor ihm stehen. Er trug eine graue Robe, im Schnitt ähnlich der von Großvater.
    Ich sah meinem Bruder in die Augen, hielt meinen Gesichtsausdruck dabei neutral und meine Stimme fest. »Ich will, daß du gestehst, daß du das Zhlonjiz genommen und in meinen Seesack gesteckt hast, Allan«, fuhr ich fort. »Und du wirst gestehen, daß du hier im Herzen der Gemeinde ein tragbares Telefon benutzt hast, um all deine Lügen und Betrügereien zu bewerkstelligen und Menschen wie Morag und Onkel Mo in schändlicher Weise zu benutzen.«
    »Ha!« lachte Allan grimmig. »Das werde ich also, ja? Und das wäre dann alles, ja?«
    »Nein«, sagte ich. »Du wirst außerdem gestehen,
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