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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte
Autoren: Ian Banks
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Schultern eingesackt, die Ellenbogen auf den Knien. Er wrang das Taschentuch in seinen Händen.
    »Ich habe gehört, seit ich fort bin, hat er dir… mit den Überarbeitungen der Orthographie geholfen«, sagte ich.
    Er sah mich über die Schulter an, doch dann konnte er meinem Blick nicht standhalten und mußte sich wieder abwenden.
    »Sag mir, welche Änderungen hat er erwirkt, Großvater?«
    Großvater schien körperlich nach Worten zu suchen, fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Er…« setzte er an. »Wir…«
    »Laß mich raten«, fiel ich ihm ins Wort und bemühte mich, nicht die Verbitterung in meiner Stimme durchklingen zu lassen. »Du hast von Gott gehört, daß das Recht des Erstgeborenen wieder gilt, daß die Leitung der Gemeinde an Allan und nicht an mich übergehen soll, wenn du stirbst.« Ich ließ ihm Zeit zum Antworten, aber er nutzte sie nicht. »Ist das so?« fragte ich.
    »Ja«, erwiderte er leise. »Etwas in der Art.«
    »Und die Schaltjährigen… was ist mit uns? Was ist unsere Rolle bei diesem neuen Regime?«
    »Eine Ehrenposition«, erklärte er, noch immer, ohne mich anzusehen. Ich hörte, wie er schluckte. »Aber…«
    »Aber ohne Macht.«
    Er schwieg, doch ich sah ihn nicken.
    Ich saß da und betrachtete eine Weile seinen Rücken. Salvador starrte auf sein Taschentuch, das er noch immer wrang.
    »Ich denke, das muß alles wieder zurückgenommen werden, findest du nicht auch?« sagte ich leise.
    »Das ist also dein Preis, ja?« fragte er grimmig.
    »Wenn du es so ausdrücken möchtest, ja«, erwiderte ich.
    »Meine Wiedereinsetzung. Das ist es, was ich will.«
    Er sah mich an, abermals zornig. »Ich kann nicht einfach…« setzte er an, seine Stimme erhoben. Doch wieder konnte er meinem Blick nicht standhalten und wandte die Augen ab, während die Worte auf seinen Lippen erstarben.
    »Ich denke, Großvater«, sagte ich ruhig und leise, »wenn du angestrengt genug auf die Stimme Gottes lauschst, dann hörst du vielleicht etwas, das den gewünschten Effekt hat. Meinst du nicht auch?«
    Er saß eine Weile stumm da, dann drehte er sich um, und seine Augen waren feucht. »Ich bin kein Scharlatan«, erklärte er und klang tatsächlich ehrlich verletzt. »Ich weiß, was ich empfunden habe, was ich gehört habe… damals, ganz am Anfang. Es ist einfach nur so, daß seither…«
    Ich nickte bedächtig, während ich mich fragte, was ich über Zhobelias Visionen sagen sollte. Schließlich meinte ich: »Ich habe dich nicht bezichtigt, ein Scharlatan zu sein.«
    Er wandte abermals den Blick ab und wrang eine Weile sein Taschentuch, dann hörte er damit auf, stieß einen wütenden Laut aus und stopfte das Taschentuch zurück in die Tasche. »Was soll mit Allan passieren?«
    Ich erklärte ihm, was ich wollte.
    Er nickte. »Nun«, sagte er und klang erleichtert. »Wir werden es ihm vorschlagen müssen, nicht wahr?«
    »Ich denke, es wäre das Beste«, pflichtete ich bei.
    »Dein Bruder hat… Ideen, mußt du wissen«, sagte er und klang bedauernd.
    »Was, wie zum Beispiel, unsere Anhänger um Geld zu bitten?«
    »Nicht nur das. Er hat eine Vision, was die Gemeinde, den Glauben betrifft. Nach seiner Ansicht sollten wir uns auf das kommende Jahrhundert vorbereiten. Wir haben die Chance, auf das aufzubauen, was wir hier haben, zu missionieren und zu expandieren und von anderen Kultgemeinschaften zu lernen; wir sollten aggressivere Missionsarbeit leisten, Stützpunkte in Übersee gründen, beinahe so wie Franchise-Betriebe, in Europa, Amerika, der Dritten Welt. Wir könnten in die Nahrungsmittelbranche einsteigen und Geld machen… mit…«
    Seine Stimme erstarb, während ich langsam den Kopf schüttelte.
    »Nein«, sagte ich. »Ich denke nicht, Großvater.«
    Er öffnete den Mund, so als wollte er dagegen angehen, dann ließ er den Kopf sinken. Seine Schultern hoben und senkten sich in einem Seufzer. »Gut«, sagte er. Und das war alles.
    »Sind diese… diese Bettelbriefe schon verschickt worden?« fragte ich, und diesmal versuchte ich gar nicht erst, die Verachtung in meiner Stimme zu unterdrücken.
    Er sah mich an. »Noch nicht«, sagte er, und es klang müde. »Wir wollten noch abwarten und erst einmal sehen, wer zum Fest kommt. Um sie persönlich anzusprechen, wenn möglich.«
    »Gut. Ich denke nicht, daß wir irgend jemanden persönlich ansprechen oder die Briefe verschicken sollten. Meinst du nicht auch?«
    Er sackte wieder ein wenig zusammen. »Ich vermute, es ist jetzt nicht mehr
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