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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte
Autoren: Ian Banks
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herunterzuziehen, damit ich mit meiner freien Hand die Kette mit dem Schlüssel packen konnte. Ich riß ihm die Kette ab; er schrie auf, als die metallenen Glieder irgendwo in seinem Nacken barsten. Ich trat zurück, während er sich den Nacken rieb und mich wütend anblitzte. Muskeln bebten an seinem Kiefer, direkt unterhalb der Ohren.
    »Nun, dann will ich dir mal etwas wirklich Witziges erzählen, Allan«, sagte ich; ich spürte ein Kribbeln hinter meinen Augen und hörte ein schrilles Rauschen in meinen Ohren. Ich wog Kette und Schlüssel in meiner Hand. »Entweder du beichtest, öffentlich, jetzt, alles, oder du bist draußen, Bruder. Für immer, ohne einen Penny. Denn wenn du nicht allen alles erzählst, dann werden wir – Großvater und ich – es tun. Wir werden uns dein Telefon holen, und wir werden das Büro und deine Zimmer durchsuchen lassen, wir werden den ganzen verdammten Hof durchsuchen lassen, und außerdem werden wir gleich morgen früh zur Bank in Stirling gehen, nur für den Fall, daß du auf die Idee kommst, dich mit unserem Geld aus dem Staub zu machen, verstanden? Ich denke, das alles würde deine Position hier… wie war das Wort noch gleich?… untragbar machen. Das ist doch die Art von Geschäftssprache, die du verstehst, oder nicht, Bruder?«
    Allan hob die zitternden Hände an die Brust und strich seine Robe glatt. Er blickte abermals zu Salvador, der mit gesenktem Kopf dasaß, die Hände auf die Knie gestützt.
    »Großvater?« sagte Allan, und es klang, als würde er gleich anfangen zu weinen. »Was ist mit den neuen Offenbarungen für die Orthographie? Die, die wir verkünden wollten…«
    »Die sind den Bach runter, Bruder«, erklärte ich ihm. »Wie der Rest von deinen Plänen.«
    Er ignorierte mich. »Großvater«, sagte er noch einmal. »Sie ist verrückt geworden.« Wieder stieß er ein nervöses Lachen aus. »Du wirst doch nicht zulassen – «
    »O Herrgott noch mal, Junge!« donnerte Großvater, ohne aufzublicken. Trotzdem füllte seine Stimme den Raum. Selbst ich fuhr erschreckt zusammen. Die Wirkung auf Allan war noch dramatischer; er wankte und zitterte, als wäre ihm ein Blitz in die Glieder gefahren.
    Großvater hob ganz langsam den Kopf und blickte meinen Bruder an. »Tu einfach, was sie sagt«, befahl er. Er schüttelte kurz den Kopf. »Mach es nicht noch schlimmer«, murmelte er. Dann blickte er wieder zu Boden.
    Allan starrte unseren Großvater an, dann schaute er wieder zu mir. Sein Blick war starr, sein Gesicht kreideweiß. Sein Mund bewegte sich einen Moment lang stumm, bevor ein Laut herauskam.
    »Und was«, krächzte er heiser, dann hielt er inne, um ein paarmal zu schlucken. »Und was würdet ihr mir lassen, wenn ich… wenn ich mich zu dieser lächerlichen Beichte bereiterklären würde?«
    Ich atmete tief ein und aus. Dann sah ich einen Moment lang meinen Großvater an. Also.
    »Du kannst das meiste von dem, was du im Moment hast, behalten, Allan«, erklärte ich ihm. »Nun, zumindest das meiste von dem, was du unserer Annahme nach hattest. Ich denke, zur Buße wäre eine Pilgerreise nach Luskentyre angebracht, aber wenn du zurückkommst, kannst du dich um die alltäglichen Belange des Hofs kümmern, wie du es auch bislang getan hast. Natürlich will ich von nun an jederzeit uneingeschränkten Zugriff auf alle Bücher und Konten haben. Auf alles, um genau zu sein. Außerdem, und das ist vielleicht das Wichtigste, werde ich alle Schecks unterschreiben und alle Ausgaben genehmigen.«
    »Aber das ist mehr, als Großvater tut!« protestierte Allan.
    »Ich weiß, Allan«, erwiderte ich. »Aber so will ich es nun einmal.« Ich machte eine kurze Pause. »Während du den Hof leitest, werde ich mich um die alltäglichen Belange der Gemeinde kümmern; Großvaters Position wird sich nicht verändern, insofern als er auch weiterhin unser Gründer und unser Oberhaupt sein wird. Ebensowenig besteht die Notwendigkeit, ihn mit all den Dingen zu belasten, um die du dich bislang gekümmert hast. Fortan wird dieser Teil unserer geschäftlichen Angelegenheiten mir unterstehen. Und ich denke, wir werden es allen Mitgliedern der Gemeinde unmißverständlich klarmachen, daß sie dem Gründer und mir gegenüber rechenschaftspflichtig sind.« Ich zuckte mit den Achseln. »Und vielleicht auch gegenüber einem formelleren Gremium, wie zum Beispiel einem gewählten Rat oder Komitee. Darüber werden wir noch nachdenken müssen. Ich werde alle um Vorschläge bitten. Du bist herzlich
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