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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte
Autoren: Ian Banks
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Flentrop-Orgel, mit einem Gefühl der Erleichterung und nur einen Hauch von Schuldgefühlen entgegen.
    Unsere Heimstatt liegt in einer Schlaufe des Flusses Forth, einige Meilen stromaufwärts von der Stadt Stirling. Der Forth – der aus einem Zusammenfluß oberhalb von Aberfoyle entstammt - schlängelt sich wie ein braunes Seil, das der Schöpfer achtlos auf die uralten grünen Marschlande hat fallen lassen, die die Ostflanke von Schottlands Wespentaille bilden. Der Fluß verläuft in Biegungen, langgezogenen Kurven, einer scharfen Kehre und engen Schlangenlinien zwischen dem Steilabbruch des Gargunnock im Süden und den langen, flachen Ausläufern einer als Gruppe anonymen Hügelkette im Norden (von denen mein Liebling, allein seines Namens wegen, der Slymaback ist); er fließt durch Stirling, schwillt langsam an und schlängelt sich dann weiter nach Alloa, wo er noch breiter wird und nach und nach mehr wie die Vorhut der See denn ein Teil des Festlandes anmutet.
    Dort, wo er an uns vorbeizieht, ist der Fluß tief, noch nicht den Gezeiten unterworfen und strömt, außer bei Hochwasser, ruhig dahin, oftmals trübe von Schlick und noch immer schmal genug, daß ein Kind einen Stein von einem seiner schlammigen, reetbestandenen Ufer zum anderen hinüberwerfen kann.
    Die in ihrer Form an einen Tabaksbeutel erinnernde Landzunge, auf der wir leben, wird High Easter Offerance genannt. Das viktorianische Herrenhaus, das ältere Bauernhaus, seine Nebengebäude und dazugehörigen Scheunen, Schuppen und Gewächshäuser sowie die verschiedenen Schrottfahrzeuge, die als zusätzliche Unterkünfte dienstverpflichtet wurden, nehmen zusammen vielleicht die Hälfte der gut zwanzig Hektar ein, die die Schlaufe des Flusses umschließt; die andere Hälfte gehört einem kleinen, von einer Steinmauer eingefaßten Apfelgarten, zwei von Ziegen abgeweideten Rasenflächen, einem Hain mit Kiefern und einem anderen mit Birken, Lärchen und Ahornbäumen und - dort, wo das alte Anwesen sanft zum Fluß hin abfällt – einem fast ringförmigen Urwald aus Unkraut, Büschen, schlammigen Senken, riesigen Farnen und Binsen.
    Von Süden erreicht man die Gemeinde über eine bogenförmige Eisenbrücke, an deren beiden Pfeilern ein unidentifizierbares Wappen und die Jahreszahl 1890 prangen. Die Brücke war einmal durchaus in der Lage, einen Traktor zu tragen (ich habe Fotografien davon gesehen), doch ihr hölzernes Deck ist mittlerweile so verrottet, daß es etliche Stellen gibt, wo man durch Risse in den vermoderten Bohlen das aufgewühlte braune Wasser darunter sehen kann. Ein schmaler Gehweg aus aufgenagelten Planken erlaubt es Fußgängern, die Brücke sicher zu überqueren. Auf der anderen Seite der Brücke, inmitten der dicht stehenden Platanen auf dem höhergelegenen Ufer gegenüber dem Gemeinde-Anwesen, steht das kleine Fachwerkhaus, in dem Mr. Woodbean und seine Tochter Sophi wohnen. Mr. Woodbean ist unser Gärtner, obgleich das Haus, in dem er lebt, ihm gehört; das Grundstück von High Easter Offerance wurde meinem Großvater und der Gemeinde von Mr. Woodbeans Mutter als Schenkung überschrieben, unter der Bedingung, daß sie und ihre Nachkommen weiterhin Eigentümer des Fachwerkhauses blieben. Ich erzähle Leuten immer gern, Sophi wäre eine Löwenbändigerin, obgleich ihre offizielle Berufsbezeichnung Tierpflegerin lautet. Sie arbeitet im örtlichen Safari-Park, der ein paar Meilen quer über die Felder entfernt, nahe Doune, liegt.
    Jenseits des Woodbeanschen Hauses schlängelt sich die überwucherte Auffahrt durch die Bäume und Büsche zur Hauptstraße; dort überragt ein großes, zugerostetes Eisentor den kiesbestreuten Halbkreis, auf dem Sophis Morris Minor steht, wenn er nicht anderweitig unterwegs ist, und wo der Wagen des Briefträgers parkt, wenn er die Post bringt. Eine kleinere Pforte an der Seite des Halbkreises erlaubt Zugang zu der nach Wald riechenden, baumbeschatteten Auffahrt des Anwesens.
    Im Norden, hinter der Gemeinde, wo der gewundene Fluß an der Schnürung unseres Tabaksbeutels beinahe wieder auf sich selbst trifft, fällt das Land zu den Gleisen der alten Eisenbahnstrecke zwischen Drymen und Bridge of Allan hinab, die einen langen, grasbewachsenen Kamm zwischen uns und dem größeren Teil unserer jenseits davon liegenden Ländereien bildet, einem fruchtbaren Flickenteppich aus flachem, urbarem Boden von gut achthundert Hektar. Es gibt eine Lücke im alten Eisenbahndamm, wo eine kleine, mittlerweile längst abgerissene
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