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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins
Autoren: Petra Hammesfahr
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Vorahnung bezeichnen können. Doch an solche Dinge glaubte Edmund Bracht nicht. Er hielt sich für durch und durch realistisch. Außerdem war Patrizia seit Jahren geheilt, sogar noch etwas mehr als das. Sie war heute ein ganz anderer Mensch als der, den Heiko Schramm vor gut sieben Jahren gekannt hatte, ein neuer Mensch. Und das war ausschließlich sein Verdienst. Er hatte ihr ausführlich erklärt, was damals mit ihr geschehen war und warum es hatte geschehen können. Vielleicht hatte sie nicht alles begriffen, aber so viel zumindest, daß sein Wort immer die letzte Wahrheit darstellte, mochten hundert andere das Gegenteil behaupten. Sie irrten sich dann eben. Patrizia würde nie wieder in solch eine Situation geraten. Davon war Edmund Bracht fest überzeugt. Insofern konnte das Verlangen, ein paar Worte mit ihr zu sprechen, auch der Wunsch nach ein wenig Selbstbestätigung sein. Nur ganz kurz ihre Stimme hören, sie dabei vor sich sehen und im Geist noch einmal den vergangenen Abend durchleben. Es war perfekt gewesen. Das Essen vor dem Kamin, romantisch, mit brennenden Kerzen und stimmungsvoller Musik im Hintergrund, genau so, wie er es mochte. Anschließend ein guter Film. Und obwohl Patrizia von der Handlung nicht ganz so fasziniert war wie er, zeigte sie keine Anzeichen von Ungeduld oder Langeweile. Wie in Gedanken versunken saß sie neben ihm. Hin und wieder spielte die Andeutung eines verträumten Lächelns um ihre Lippen. Edmund Bracht kannte diese Haltung an seiner Frau zur Genüge, wußte genau, womit sie sich beschäftigte. So war es auch. Gegen Ende des Films rutschte sie von der Couch, kniete davor auf dem Boden, schaute kurz und mit vor Erregung weiten Pupillen zu ihm auf. Dann legte sie den Kopf auf das Sitzkissen, schloß die Augen und wartete auf ihn. Lange hatte sie nicht warten müssen. Patrizia mochte diese schnellen und heftigen Akte, benutzte sie fast schon als Vorbereitung auf eine ausgedehnte Nacht. Versetzte sich selbst in die richtige Stimmung, indem sie ihrer Phantasie freien Lauf ließ. In solchen Momenten durfte er sie nie berühren. Er wußte das. Und er ging davon aus, daß er selbst eine wichtige Rolle in Patrizias Phantasien spielte. Er! Und nicht etwa Heiko Schramm, den sie gemeinsam abgehakt und aus Patrizias Leben gestrichen hatten. Nicht ganz nach den Regeln einer Psychotherapie, dafür um so wirkungsvoller. Sie waren seit knapp drei Jahren verheiratet. Patrizia war vierundzwanzig, Edmund Bracht zweiundvierzig, er wirkte jedoch erheblich jünger, hatte immer auf sein Aussehen und seine Kondition geachtet und war sich einer gewissen Eitelkeit durchaus bewußt. Er betrieb Sport, soweit seine Zeit das erlaubte, ein bißchen Squash und regelmäßig zweimal in der Woche Schwimmen. Im Urlaub Tauchen, Wandern, Reiten. Oder der Jahreszeit entsprechend Skifahren. Und was die innere Ausgeglichenheit betraf, eine hübsche, junge und leidenschaftliche Frau, die ihr Verlangen ohne Hemmungen und ohne falsche Scham zeigen konnte. Die Harmonie einer guten Ehe, die Übereinstimmung in allen wichtigen Punkten. Der Ruf ging sechs- oder siebenmal durch, ehe Edmund Bracht stutzig wurde. Er kannte den Tagesablauf seiner Frau genau, was nicht bedeutete, daß er sie unentwegt kontrollierte. Das war gar nicht notwendig. Patrizia hatte feste Gewohnheiten. Kurz vor zwölf mußte sie eigentlich in der Küche sein, um sich einen kleinen Imbiß anzurichten. Der Hauptanschluß war gleich in der Diele, das waren nur ein paar Schritte. Nach dem achten Freizeichen legte Edmund Bracht den Hörer zurück und strich sich flüchtig mit den Fingerspitzen über die Lippen.
    Normalerweise erzählte Patrizia beim Frühstück, wenn sie etwas Besonderes vorhatte. Ein Stadtbummel mit ihrer Schwester Dorothea? Edmund Bracht erinnerte sich nicht, daß sie morgens etwas in dieser Art erwähnt hatte, schloß es folglich aus. Ob sie ihren Vater besuchte? Kaum anzunehmen, daß sie sich freiwillig und aus eigenem Antrieb auf den Weg zu Paul Großmann gemacht hatte. Sie mußte daheim sein. Und sie ging nicht ans Telefon! Seltsam, aber noch kein Grund zur Sorge. Vielleicht war sie im Garten. Dort konnte sie sich stundenlang beschäftigen und vergaß darüber manchmal die Zeit. Vielleicht besuchte sie Albert Retling, ihren früheren Chef, und dessen Frau. Sie hatte immer noch ein herzliches Verhältnis zu den beiden alten Leuten, half noch oft in der Werkstatt aus, wenn Albert Retling sie darum bat. Patrizia hatte Goldschmiedin
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