Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
der Tatsache, daß er sieben Jahre in einer Gefängniszelle verbracht hatte.

    »Ich bin bald wieder da, Püppi! «

    Bald! Von wegen! Sieben Jahre! Und anfangs hatte sie gedacht, daß es nur noch einen Weg gab, bei ihm zu sein: sterben. Weil der Tod alles wieder miteinander verbindet, was jemals auseinandergerissen wurde. Jeden Tag hatte sie es gedacht, von morgens bis abends. Und zweimal hatte sie es auch versucht. Kurz nach der Urteilsverkündung. Es war lange her.

    »Hallo, Püppi «, sagte er. Sein Grinsen ging in ein schelmisches und sehr erleichtert wirkendes Lächeln über.

    »Und ich hatt’ schon Angst, daß mir die Putzfrau aufmacht, als ich die Bude hier sah. Was hätt’ ich der sagen sollen, hm? «

    Er machte eine Bewegung mit der linken Hand, die alles einschloß, Freude und Enttäuschung, Sorgen und ein paar bange Fragen. Dann sagte er:

    »Warst gar nicht so leicht zu finden. Neuer Name, neue Adresse, damit hatt’ ich ja nich’ gerechnet. Bist verheiratet, was? Bist du allein? «

    Sie wollte nicken, aber sie stand nur da wie paralysiert. Er schaute aufmerksam und mit unverhohlener Neugier über ihre Schulter direkt in den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Es war ein alter Spiegel. Eddi hatte ihn vor gut einem Jahr in einem Antiquitätengeschäft gesehen und sich, wie er sagte, augenblicklich in ihn verliebt. Also hatte er ihn auch augenblicklich gekauft, zusammen mit dem kleinen Wandbord, das dazu gehörte, auf dem nun das Telefon stand. Es waren ungefähr acht Schritte bis dahin. Es hätten auch tausend sein können. Das war jetzt nebensächlich. Sie konnte keinen einzigen gehen, konnte ihn nur anstarren. Mit dem unvermittelt aufkommenden Herzflattern und einem Wärmegefühl im Magen, wie das Kaninchen die Schlange oder Julia ihren Romeo. Und dazwischen war kein Unterschied, ob Kaninchen oder Julia, in beiden Fällen fühlten sie etwas Schweres, Süßes, Bitteres, irgend etwas, das niemand genau definieren kann, das nur endgültig ist. Und er schaute sie an.

    »Wills’ du mich nich’ reinlassen? «

    Wieder wollte sie nicken! Und sie schaffte es nicht. Da schob er sie langsam von der Tür zurück. Er mußte sie nicht einmal anfassen dafür, dirigierte sie mit den Augen soweit rückwärts in die Diele hinein, daß er ihr folgen und die Tür hinter sich schließen konnte. Es funktionierte also immer noch. Sein Grinsen wirkte mehr als zufrieden, als er den Blick von ihrem Gesicht löste. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Haustür und ließ die Augen durch die Diele wandern. Zwei der Zimmertüren und die Tür zur Küche standen offen. Er konnte hindurch in die einzelnen Räume sehen. Wohnzimmer, Eßzimmer, Küche, gediegen und nicht eben billig eingerichtet. Eddi legte sehr großen Wert auf eine gepflegte, häusliche Atmosphäre. Eddi legte vor allem Wert auf die äußerliche Ordnung, das wußte sie seit langem. Jedes Ding an seinem Platz und nirgendwo ein Fleck, ein Schatten oder ein Staubkorn.

    Manchmal war Eddi direkt ein bißchen pedantisch. Vielleicht mußte er das sein in seinem Beruf, wo er sich täglich mit den Schatten und den zerbrochenen Seelen anderer Leute befaßte. Doch an Eddi dachte sie nicht in diesem Moment. Sie dachte eigentlich gar nicht. Es war abgeschaltet in ihrem Kopf. Sie sah nur die lose baumelnde Lederjacke, das schwarze Hemd und das schmale, blasse Gesicht darüber, den dunklen Bartschatten auf seinen Wangen. Früher hatte er sich zweimal am Tag rasieren müssen, das hatte er ihr jedenfalls immer erzählt, morgens und dann natürlich abends, bevor er zu ihr kam. Sein Blick glitt immer noch von einer offenen Tür zur nächsten. Was er sah, schien ihm zu gefallen. Oder auch nicht! Er zog kurz die Augenbrauen hoch und damit die Stirn in Falten, wiegte ebenso kurz den Kopf und verzog die Lippen. Ob anerkennend oder geringschätzig, konnte sie nicht beurteilen.

    »Wirklich nich’ übel die Bude «, murmelte er und zeigte einmal rund durch die Diele. Dann schaute er wieder sie an.

    »Sieht so aus «, meinte er bedächtig,

    »als hättest du das große Los gezogen. Tja, ein gutes Angebot schlägt man nich’ aus. Oder ist dir einfach die Zeit zu lang geworden? Hattest wohl keine Lust, auf mich zu warten, was? «

    Da sie ihm nicht antwortete, auch sonst in keiner Weise auf seine Frage reagierte, zuckte er mit den Schultern. Es wirkte resignierend, aber das war es nicht. Er war nie der Typ gewesen, der vor irgend etwas resigniert hätte. Früher hatte sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher