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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins
Autoren: Petra Hammesfahr
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das gewußt. Jetzt wußte sie gar nichts mehr. Es war immer noch abgeschaltet in ihrem Kopf.

    »Na ja «, auch in seiner Stimme schwang ein Hauch von Resignation mit. Er seufzte nachdrücklich, lächelte sie wehmütig an.

    »War ’ne verdammt lange Zeit «, sagte er leise.

    »Hätt’ ich selbs’ nich’ gedacht, daß sieben Jahre so lang sein können. Manchmal bin ich fast verrückt geworden. Ich hab’ dich so vermißt, Püppi. «

    6 Und sie konnte immer noch nichts weiter tun, als ihn anstarren. Sie fühlte das Herz hämmern und gleichzeitig diesen stählernen Ring, der es zusammenpreßte, hörte nur das eigene Blut in den Ohren. Es schien alles in den Kopf geströmt zu sein, rauschte und dröhnte dort oben herum. Für die Beine war kaum ein Tropfen übrig. Ganz weich waren sie ihr geworden. Von dem, was er gesagt hatte, hatte sie kaum ein Wort verstanden.

    »Hallo, Heiko «, stammelte sie endlich. Und dann machte sie einen ersten, winzigen und unsicheren Schritt auf ihn zu.
    Kurz vor Mittag versuchte Edmund Bracht zum erstenmal, seine Frau telefonisch zu erreichen. Die letzte Patientin für den Vormittag hatte die Praxis gerade verlassen. Drei Patienten waren es insgesamt gewesen, dreimal fünfzig Minuten. Und die letzten davon waren für Edmund Bracht sehr frustrierend gewesen. Die Frau, mit der er sich hatte auseinandersetzen müssen, hieß Anne Sobisch. Sie kam seit gut einem Jahr regelmäßig einmal in der Woche zu ihm. Anne Sobisch war Ende Dreißig, kinderlos verheiratet, als Halbtagskraft in einem Büro angestellt. Vor mehr als zwei Jahren hatte sie sich auf ein Verhältnis mit einem Kollegen eingelassen. Und das vereinbarte sich nicht mit ihrer strengen Erziehung und ihrer persönlichen Ansicht von Treue und Moral. Anne Sobisch hatte ernsthafte Probleme bekommen, einen hartnäckigen und sehr schmerzhaften Hautausschlag, Unterleibskrämpfe und diverse andere Beschwerden. Die physischen Beschwerden waren inzwischen weitgehend abgeklungen. In der vorletzten Stunde mit ihr hatte Edmund Bracht noch geglaubt, Anne Sobisch sei auf dem besten Weg, ein paar wichtige Erkenntnisse über sich selbst zu gewinnen und ihrem Liebhaber, für den sie vermutlich nichts weiter war als ein amüsanter und williger Zeitvertreib, beim nächsten Mal ein entschiedenes und endgültiges Nein entgegenzuhalten. Nun hatte sie ihm das Gegenteil bewiesen.

    »Ich habe es wieder getan. «

    Und bei diesem Geständnis nestelten die Finger am Rocksaum, das Gesicht blieb dem Boden zugewandt. Anne Sobisch wartete auf die Verurteilung, zumindest auf eine Moralpredigt. Aber das war nicht seine Aufgabe. Und wenn überhaupt, dann hätte er sich viel eher diesen Schmarotzer vorgeknöpft. Edmund Bracht hatte nicht viel übrig für Männer, die ihr Vergnügen und ihren Vorteil auf Kosten anderer suchten. Und genau das tat Anne Sobischs Liebhaber seiner Meinung nach. Es war ein paar Minuten vor zwölf, als Anne Sobisch die Tür hinter sich zuzog. Normalerweise nutzte Edmund Bracht die Minuten bis zur vollen Stunde, um rasch ein paar Anmerkungen über den Verlauf des Gesprächs zu machen. Während der Therapiestunden machte er niemals Notizen, auf viele Patienten wirkte das störend. In einigen wenigen und komplizierter gelagerten Fällen ließ er ein Bandgerät mitlaufen, zu Beginn einer Behandlung tat er das immer. Das Gerät war unauffällig installiert und störte in keiner Weise. Wenn er jedoch einen Patienten und dessen Problematik erst besser kennengelernt hatte, reichten ein paar Stichworte völlig aus. Edmund Bracht streckte die Hand aus, um nach Stift und Notizblock zu greifen. Und griff statt dessen nach dem Telefonhörer. Er war verärgert, jedenfalls hielt er das Gefühl, das ihn so plötzlich überkam, für eine Form von Ärger. Es konnte jedoch ebensogut etwas ganz anderes sein. Unruhe, eine böse Vorahnung. In der letzten halben Stunde hatte ihn Anne Sobisch unentwegt an Patrizia erinnert. An eine andere Patrizia, nicht die Ehefrau, sondern die Patientin. Hilflos ihren widersprüchlichen Gefühlen ausgeliefert, jung und unerfahren und manipulierbar. Von einem Mann ausgenutzt und beinahe zugrunde gerichtet, der es geschafft hatte, sie in jeder Hinsicht von sich abhängig zu machen. Süchtig war sie gewesen, einen anderen Ausdruck dafür gab es nicht. Süchtig nach Heiko Schramm. Es überstieg bereits das, was man unter absoluter Hörigkeit verstand. So betrachtet, hätte man den Griff zum Telefonhörer durchaus als eine böse
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