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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn
Autoren: Patricia Highsmith
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strahlte vor Glück.
    Leise schloß er die Tür hinter sich.
    Sie war recht froh, daß sie nicht versprochen hatte, am Abend zusammen mit den von Böchleins zu essen, denn Gerts Mutter wäre seine glückstrahlende Miene sicher aufgefallen. Was für ein törichter Junge, wie konnte er nur so felsenfest an die Unwandelbarkeit seiner Gefühle glauben!
    Hélène war um sieben mit André in der Bar verabredet. Er hatte einen Schlitten bestellt und wollte zur Abwechslung einmal in einem Restaurant im Dorf essen.
    Als Hélène und André das Restaurant unten im Dorf betraten, bereitete der Oberkellner ihnen einen königlichen Empfang.
    Das Lokal war klein, aber André hatte einen ganzen Raum für sie beide reservieren lassen, der mit roten Rosen und kleinen Ornamenten aus den zarten Bergblumen dekoriert war, die Hélène so liebte.
    »So, da wären wir. Ich hoffe, sie haben's nicht übertrieben«, sagte André ein bißchen verlegen, nachdem sie Platz genommen hatten.
    Unverzüglich erschien ein Ober und brachte Champa-gnercocktails.
    André erzählte ausführlich von Paris, von seinen Kriegserlebnissen, von der Gefangenschaft in Deutschland und davon, wie er später, zurück in Frankreich, bei der Ré-
    sistance ein Auge verloren hatte. Von seiner zweijährigen 37
    Ehe, die vor zehn Jahren zerbrochen war, von seiner steini-gen Laufbahn als Musiker und von seinen Erfolgen, die sich erst kürzlich eingestellt hatten. Zwischen den einzelnen Geschichten legte er lange Pausen ein, um Hélène die Chance zu geben, etwas dazu zu sagen oder gegebenenfalls das Thema zu wechseln, aber sie schwieg. Sie fand seine Erlebnisse interessant und war gerührt, daß seine Zuneigung zu ihr so weit ging, daß er ihr das alles anvertraute.
    »Sie finden es vielleicht eigenartig, daß ich Ihnen mein ganzes Leben erzähle«, sagte er, als sie mit dem Essen fertig waren, »aber die Sache ist die, daß ich Sie bitten möchte, meine Frau zu werden, und wenn ich das tue, dann… na ja, ich denke, dann sollten Sie auch ein bißchen über mich Bescheid wissen. Wollen Sie mich heiraten, Hélène?«
    Hélène war fassungslos. »Aber Sie wissen doch rein gar nichts über mich!«
    »Das macht nichts. Natürlich möchte ich gern mehr über Sie erfahren«, setzte er lächelnd hinzu, »aber im Grunde ist das nicht entscheidend, denn ich weiß, Sie sind ehrlich und gut… eine Schönheit, sollte ich sagen, schön von innen heraus. Alles weitere hat Zeit bis später. Mir ist auch klar, daß Sie wahrscheinlich verheiratet sind. Aber selbst das ist nicht wichtig, denn ich werde warten. Wenn's sein muß, für den Rest meines Lebens, doch ich hoffe, das wird nicht nötig sein. Sie sind doch verheiratet, oder?« »Ja.«
    »Und Ihr Mann ist in München?« »Nein, in Wien. Wir leben getrennt, und ich habe ihn seit drei Jahren nicht gesehen. Ich habe auch ein Kind«, sagte sie leise, »aber –«
    »Aber?«
    38
    »Er ist zwölf. Und… na ja, er ist seinem Vater sehr ähnlich, und ich glaube, er hat ihn lieber als mich. Jedenfalls hat Klaus entschieden, daß er lieber bei seinem Vater leben möchte. Das war vor drei Jahren. Sein Vater hat sehr viel Geld, verstehen Sie? Und der Junge hat immer die Som-merferien bei seinem Vater verbracht. Das heißt seit seinem achten Lebensjahr. Mein Mann macht sehr viel Aufhebens um ihn, hat ihm ein Pferd gekauft und ein Boot, eine Unmenge Sachen zum Anziehen… und zur Zeit bringt er ihm das Schießen bei. Mir sind Waffen ein Greuel.«
    »Ich verstehe«, sagte André.
    »Meinem Sohn gefällt das alles. Ich kann nichts daran ändern, so ist er nun einmal, genau wie sein Vater eben.«
    Und Hélène lächelte, ließ die Gabel sinken und legte die Handflächen zusammen, als ginge es um etwas, was ihr Freude machte oder worum sie gebetet hätte… und tatsächlich hatte sie es vor Wochen, ja vor Monaten schon aufgegeben, sich zu grämen, sie hatte sich mit der Situation ausgesöhnt, und wenn sie jetzt über all das sprach, dann berührte es sie innerlich nicht mehr. Sie hatte das Gefühl, André könne das verstehen. »Ich mag Sie wirklich sehr gern, André«, sagte Hélène, »aber ich will nicht wieder heiraten. Das hat nichts mit Ihnen oder sonst jemandem zu tun. Vielleicht haben wir uns einfach zur falschen Zeit kennengelernt.«
    André dachte einen Moment darüber nach, dann sagte er: »Nein. Nein, bestimmt nicht, aber ich werde warten.
    Und ich werde es leichten Herzens tun«, versetzte er mit einem spontanen Lächeln, das sie an
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