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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
Autoren: Erica Spindler
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und belogen worden war, reagierte sie auf Annäherung mit Zorn und Misstrauen. Sie hatte aus ihrer Ablehnung keinen Hehl gemacht.
    Doch Anna war beharrlich geblieben. Zwei Jahre lang hatte sie jedes Versprechen gehalten, zugehört, anstatt zu tadeln, und einen Rat nur erteilt, wenn sie darum gebeten wurde. Dabei war sie ihren Ansichten treu geblieben und hatte jeden Test bestanden. Schließlich hatte Jaye angefangen, ihr zu vertrauen und sie zu mögen.
    Diese Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, womit Anna beim Einstieg in das Programm nicht gerechnet hatte. Sie hatte nur helfen wollen und bekam im Gegenzug eine Freundschaft geschenkt, die eine Lücke in ihrem Leben ausfüllte, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab.
    Jaye sah auf. „Du bildest dir das nicht ein. Dieser Typ klingt nach einer üblen Bazille.“
    „Bist du sicher?“
    „Du wolltest meine Meinung hören.“
    „Was meinst du mit übler Bazille?“
    „Dass er alles sein kann von einem Riesen A-loch bis zu einem Perversen, der lebenslang hinter Gitter gehört.“
    Anna hörte den bitteren Unterton. „Das ist ein ziemlich breites Spektrum.“
    „Ich bin kein Psychiater.“ Jaye gab ihr achselzuckend den Brief zurück. „Ich denke, du solltest ihr antworten.“
    Anna verzog die Lippen, nicht so sicher wie ihre junge Freundin, dass sie die Korrespondenz fortsetzen sollte. „Ich bin erwachsen, sie ist ein Kind. Das macht die Kommunikation nicht gerade einfach. Ich möchte schließlich nicht, dass mir ihre Eltern Einmischung vorwerfen. Und ich kann sie ja nicht gut nach ihrem Vater ausfragen.“
    „Dir fällt schon was ein.“ Jaye wischte sich mit der Serviette den Mund ab. „Dieses Kind braucht eine Freundin.“
    Anna zog unsicher die Stirn kraus. Ein Teil von ihr, der, der immer auf Nummer sicher gehen wollte, drängte sie, den Brief in den Abfall zu werfen und Minnie und ihre Probleme zu vergessen. Der andere Teil stimmte Jaye zu. Minnie brauchte sie. Und sie konnte einem Kind in Not keine Hilfe verweigern.
    „Isst du den letzten Keks noch?“ unterbrach Jaye ihre Gedanken.
    „Gehört dir.“ Anna schob ihr den Teller zu. „Du bist in letzter Zeit ziemlich hungrig. Ist Fran keine gute Köchin?“ fragte Anna mit Bezug auf Jayes Pflegemutter.
    „Gute Köchin?“ Jaye schnitt eine Grimasse. „Sie ist die schlechteste Köchin auf diesem Planeten.“
    „Aber sie ist nett, oder?“
    Jaye zuckte die Achseln. „Ich glaube, sie ist ganz okay. Wenn sie nicht gerade auf ihrem Besenstiel reitet oder im Mondschein schwarze Katzen und kleine Kinder opfert.“
    „Sehr lustig, Naseweis.“
    Eigentlich mochte Anna Jayes neue Pflegemutter, aber irgendetwas störte sie. Sie schien sich zu sehr zu bemühen, als müsse sie die Rolle der Pflegemutter spielen, da sie nicht aus ihrem Herzen kam. Dieser Eindruck hatte Anna vom ersten Moment an beunruhigt. Trotzdem hatte sie immer gehofft, dass Jaye Fran Clausen und ihren Mann Bob mochte.
    Minuten später verließen sie das CC Coffeehouse im French Quarter. Auf dem Gehweg fragte Anna: „Also, wie läufts denn so?“
    „Schule oder zu Hause?“
    „Beides.“
    „Schule ist okay. Zu Hause auch.“
    „Überschütte mich bitte nicht mit so vielen Details. Ich bin ja überwältigt.“
    Jaye grinste. „Sarkasmus, Anna? Cool.“
    Anna lachte. Gut gelaunt setzten sie ihren Weg fort und blieben gelegentlich vor einer Geschäftsauslage stehen. Anna gefielen die Gerüche, die Geräusche und die pittoresken Ansichten, die das Flair des French Quarter ausmachten: eine Mischung von meist alt und manchmal neu, von aufgetakelt und elegant, von köstlich und widerlich. Inmitten von Touristen und Einheimischen, Straßenkünstlern und Obdachlosen, hatte es ihr hier auf Anhieb gefallen.
    „Sieh dir das an“, sagte Jaye und blieb vor einer Auslage mit Pelzimitatjacken stehen. Sie deutete auf eine Bomberjacke im Zebramuster. „Ist das cool oder was?“
    „Es ist cool“, stimmte Anna zu. „Möchtest du sie anprobieren?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nur wenn sie sie verschenken. Außerdem passt sie nicht zu meinem Haar.“
    Anna warf Jaye einen Seitenblick zu. „Ich gewöhne mich langsam an deinen Rotschopf. Jedenfalls könnten wir jetzt echte Schwestern sein.“
    Jaye errötete erfreut. Sie gingen weiter, und nach einer Weile fragte sie: „Habe ich dir eigentlich von dem Typen erzählt, der mir gefolgt ist?“
    Anna blieb erschrocken stehen. „Jemand ist dir gefolgt?“
    „Ja, aber ich bin ihm
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