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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Autoren: Peter Handke
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Stiegenhaus stehen; jetzt wurde das Mädchen zärtlich. Sie liefen miteinander die Stiege hinauf. Im Dachgeschoß stand der Lift; sie stiegen ein, fuhren hinunter und gingen zurück auf die Straße.
    Bloch ging eine Zeitlang neben dem Mädchen her, dann kehrte er um und suchte wieder die Gaststätte auf. Die Frau, noch im Mantel, wartete schon. Bloch erklärte der Freundin des Mädchens, die noch am Tisch neben dem Automaten wartete, daß das Mädchen nicht zurückkommen werde, und verließ mit der Frau die Gaststätte.
    Bloch sagte: »Ich komme mir lächerlich vor, so ohne Mantel, wenn du einen Mantel trägst.« Die Frau hängte sich in ihn ein. Um den Arm wieder freizubekommen, tat Bloch, als wollte er ihr etwas zeigen. Dann wußte er nicht, was er ihr zeigen sollte. Unvermittelt hatte er den Wunsch, eine Abendzeitung zu kaufen. Sie gingen durch verschiedene Straßen, ohne einen Zeitungsverkäufer zu sehen. Schließlich fuhren sie mit dem Bus zum Südbahnhof, aber der Bahnhof war schongeschlossen. Bloch tat, als sei er erschrocken; aber auch in Wirklichkeit war er erschrocken. Zu der Frau, die ihm schon im Bus, indem sie die Handtasche aufmachte und darin mit verschiedenen Gegenständen spielte, angedeutet hatte, daß sie unwohl sei, sagte er: »Ich habe vergessen, einen Zettel zu hinterlegen«, ohne zu wissen, was er mit den Worten ›Zettel‹ und ›hinterlegen‹ eigentlich meinte. Jedenfalls stieg er allein in ein Taxi und fuhr zum Naschmarkt.
    Da das Kino am Samstag Nachtvorstellung hatte, kam Bloch sogar noch zu früh. Er ging in ein Selbstbedienungsrestaurant in der Nähe und aß im Stehen eine Frikadelle. Er versuchte, der Kellnerin in möglichst kurzer Zeit einen Witz zu erzählen; als die Zeit um war und er den Witz noch immer nicht fertig erzählt hatte, brach er mitten im Satz ab und zahlte. Die Kellnerin lachte.
    Auf der Straße traf er einen Bekannten, der ihn um Geld anging. Bloch beschimpfte ihn. Als der Betrunkene Bloch ans Hemd faßte, wurde die Straße dunkel. Der Betrunkene ließ die Hand erschrocken fallen. Bloch, der darauf gefaßt gewesen war, daß die Leuchtreklame des Kinos erlöschen würde, entfernte sich schnell. Vor dem Kino traf er die Kassiererin; sie war dabei, zu einem Mann ins Auto zu steigen.
    Bloch schaute zu ihr hin. Sie erwiderte, schon im Auto auf dem Beifahrersitz, seinen Blick, indem sie das Kleid unter sich auf dem Sitz zurechtzog; zumindest faßte Bloch das als Erwiderung auf. Es gab keine Zwischenfälle; sie hatte die Tür zugezogen, und das Auto war abgefahren.
    Bloch kehrte zum Hotel zurück. Er fand den Vorraum des Hotels erleuchtet, aber menschenleer; als er den Schlüssel vom Haken nahm, fiel ein zusammengefalteter Zettel aus dem Fach; er faltete ihn auf: es war die Rechnung. Während Bloch noch mit dem Zettel in der Hand im Vorraum stand und den einzelnen Koffer, der neben der Tür stand, betrachtete, kam der Portier aus der Abstellkammer. Bloch fragte ihn sofort nach einer Zeitung und schaute dabei durch die offene Tür in die Abstellkammer, in der der Portier offensichtlich auf einem Stuhl, den er sich aus dem Vorraum geholt hatte, eingeschlafen gewesen war. Der Portier schloß die Tür, so daß Bloch nur noch eine kleine Stehleiter mit einem Suppennapf obenauf sehen konnte, und setzte erst, als er sich hinter den Portiertisch begeben hatte, zu sprechen an. Aber Bloch hatte schon das Schließen der Tür als eine abschlägige Antwort aufgefaßt und ging die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Nur vor einer der Türen in dem recht langen Gang erblickte erein Paar Schuhe; im Zimmer streifte er sich, ohne die Schnürbänder aufzulösen, die eigenen Schuhe ab und stellte sie gleichfalls vor die Tür. Er legte sich aufs Bett und schlief auf der Stelle ein.
    Mitten in der Nacht erwachte er kurz von einem Streit im Zimmer nebenan; vielleicht aber war auch nur sein Gehör von dem plötzlichen Aufwachen so überreizt, daß er die Stimmen nebenan für streitende Stimmen hielt. Er schlug einmal mit der Faust an die Wand. Darauf hörte er die Wasserleitung rauschen. Das Wasser wurde abgedreht; es wurde still, und er schlief wieder ein.
    Am nächsten Tag wurde Bloch von dem Zimmertelefon geweckt. Er wurde gefragt, ob er noch eine Nacht bleiben wolle. Während Bloch die Aktentasche auf dem Boden anschaute – es befand sich keine Kofferablage im Zimmer –, sagte er sofort ja und legte auf. Nachdem er die Schuhe, die, wohl weil Sonntag war, nicht geputzt worden waren, vom Flur
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