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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Autoren: Peter Handke
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aufgehenden Vorhangs kam ihm bedrohlich nahe vor. Um herauszufinden, ob der Vorhang zu- oder aufgegangen war, öffnete er die Augen. Jemand leuchtete ihm mit einer Taschenlampe insGesicht. Bloch schlug dem Billeteur die Lampe aus der Hand und ging in die Toilette im Nebenraum des Kinos.
    Hier war es ruhig, das Tageslicht kam herein; Bloch stand eine Weile still.
    Der Billeteur war ihm gefolgt, er hatte mit der Polizei gedroht, Bloch hatte den Wasserhahn aufgedreht, sich die Hände gewaschen, dann auf den Knopf des elektrischen Händetrockners gedrückt, die Hände in die warme Luft gehalten, bis der Billeteur verschwunden war.
    Dann hatte sich Bloch die Zähne geputzt. Er hatte im Spiegel zugeschaut, wie er mit der einen Hand die Zähne geputzt hatte, während er die andre Hand, locker zur Faust geballt, eigenartig auf der Brust hielt. Aus dem Kino hörte er das Schreien und Toben der Zeichentrickfiguren.
    Bloch hatte früher eine Freundin gehabt, von der er wußte, daß sie jetzt in einem südlichen Grenzort eine Gastwirtschaft führte. Im Bahnhofspostamt, wo die Telefonbücher für das ganze Land auslagen, suchte er vergeblich ihre Nummer; es gab in dem Ort einige Lokale, deren Inhaber nicht genannt waren; außerdem wurde Bloch das Aufheben des Telefonbuchs   – die Telefonbücher hingen in einer Reihe, mit dem Rücken nach oben   –   bald zuviel. ›Das Gesicht nach unten‹,dachte er plötzlich. Ein Polizist kam herein und verlangte seinen Ausweis.
    Der Billeteur habe sich beschwert, sagte der Polizist, während er abwechselnd hinunter in den Paß und in Blochs Gesicht schaute. Nach einer Weile beschloß Bloch, sich zu entschuldigen. Aber der Polizist hatte ihm schon mit der Bemerkung, er sei ja schon weit herumgekommen, den Paß zurückgegeben. Bloch schaute ihm nicht nach, sondern kippte sofort das Telefonbuch weg. Jemand schrie; als Bloch aufblickte, sah er, daß in der Telefonzelle vor ihm ein griechischer Gastarbeiter ziemlich laut in den Hörer sprach. Bloch überlegte es sich und nahm sich vor, statt mit dem Zug mit dem Bus zu fahren; er tauschte die Fahrkarte um und ging wirklich, nachdem er sich eine Wurstsemmel und einige Zeitungen gekauft hatte, zum Autobahnhof hinaus.
    Der Omnibus stand schon da, freilich noch abgesperrt; die Fahrer standen in einiger Entfernung zusammen und redeten. Bloch setzte sich auf eine Bank; die Sonne schien; er aß die Wurstsemmel, ließ aber die Zeitungen neben sich liegen, weil er sie für die stundenlange Fahrt aufsparen wollte.
    Der Kofferraum zu beiden Flanken des Wagens blieb ziemlich leer: es kamen kaum Leute mit Gepäck. Bloch wartete draußen so lange, bis hintendie Falttür zuging. Dann stieg er schnell vorn ein, und der Wagen fuhr an. Auf einen Ruf draußen hielt er sofort wieder an; Bloch drehte sich nicht um; eine Bäuerin mit einem Kind, das laut weinte, war noch eingestiegen. Drinnen wurde das Kind still, der Wagen war dann abgefahren.
    Bloch bemerkte, daß er auf dem Sitz gerade über dem Wagenrad saß; seine Füße waren von dem an dieser Stelle hinaufgewölbten Boden abgerutscht. Er setzte sich zurück auf die letzte Sitzbank, wo er, wenn nötig, bequem nach hinten hinausschauen konnte. Als er sich setzte, sah er, obwohl das nichts zu bedeuten hatte, in die Augen des Fahrers im Rückspiegel. Bloch benutzte die Drehung, mit der er die Aktentasche hinter sich verstaute, und blickte hinaus. Die Falttür klapperte laut.
    Während die übrigen Sitzreihen im Wagen die Reisenden nach vorn schauen ließen, standen die beiden Sitzreihen vor ihm einander gegenüber; so unterhielten sich die Reisenden, die hintereinander saßen, fast alle gleich nach der Abfahrt nicht mehr, während die Reisenden vor ihm schon bald weiterredeten. Die Stimmen der Leute waren Bloch angenehm; es erleichterte ihn, daß er zuhören konnte.
    Nach einiger Zeit machte ihn – der Bus hattedie Ausfallstraße schon erreicht – eine Frau, die neben ihm in der Ecke saß, darauf aufmerksam, daß er einige Münzen verloren habe. Sie sagte: »Ist das Ihr Geld?« und zeigte ihm dabei, wie sie eine Münze aus dem Spalt zwischen Lehne und Sitz hervorzog. Mitten auf dem Sitz, zwischen ihm und der Frau, lag eine zweite Münze, ein amerikanischer Cent. Bloch nahm die Münzen, indem er antwortete, er müsse das Geld wohl vorhin verloren haben, als er sich umdrehte. Da aber die Frau nicht bemerkt hatte, daß er sich umgedreht hatte, fing sie an zu fragen, und Bloch antwortete wieder; allmählich,
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