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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Autoren: Peter Handke
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alle Gegenstände im Raum mit einem Geschirrtuch abgewischt.
    Er schaute aus dem Fenster: unten lief jemand mit einem Arm voll Anzügen, die auf Kleiderbügeln hingen, über den Rasen zu einem Lieferwagen.
    Er verließ das Haus mit dem Aufzug und ging einige Zeit, ohne die Richtung zu ändern. Später fuhr er mit einem Vorortbus bis zur Straßenbahnendstation; von dort fuhr er in die Innenstadt.
    Als er ins Hotel kam, erwies sich, daß man, in der Meinung, er komme nicht zurück, seine Aktentasche schon sichergestellt hatte. Während er bezahlte, holte der Hausbursche die Tasche aus der Abstellkammer. An einem hellen Ring erkannte Bloch, daß eine Milchflasche mit nassem Boden darauf gestanden haben mußte; er machte die Tasche auf, während der Portier das Wechselgeld zusammensuchte, und bemerkte, daß man auch den Inhalt der Tasche schon geprüft hatte; der Stiel der Zahnbürste schaute aus dem Lederetui; das Taschenradio lag obenauf. Bloch drehte sich nach dem Hausburschen um, aber dieser war in der Abstellkammer verschwunden. Da der Raum hinter dem Portiertisch ziemlich klein war, konnte Bloch den Portier mit der einen Hand heranziehen und dann, nach einem Atemholen, mit der andern Hand eine Finte gegen das Gesicht des Portiers schlagen. Dieser zuckte zurück, obwohl Bloch ihn gar nicht getroffen hatte. Der Hausbursche in der Abstellkammer verhielt sich still. Bloch war schon mit der Tasche hinausgegangen.
    Er kam gerade noch zur rechten Zeit vor der Mittagspause in das Personalbüro der Firma und holte die Papiere ab. Bloch wunderte sich, daß diese noch nicht bereitlagen und daß man noch einige Telefongespräche führen mußte. Er bat, seinerseits telefonieren zu dürfen, und rief seine ehemalige Frau an; als das Kind sich meldete und sofort mit einem eingelernten Satz zu sprechen anfing, die Mutter sei nicht zu Hause, legte Bloch auf. Die Papiere lagen inzwischen bereit; er steckte die Lohnsteuerkarte in die Aktentasche; als er dann die Frau nach dem noch ausstehenden Lohn fragte, war sie schon weggegangen. Bloch zählte das Geld für sein Telefongespräch auf den Tisch und verließ das Haus.
    Auch die Banken hatten schon geschlossen. So wartete er über Mittag in einem Park, bis er sein Geld vom laufenden Konto – ein Sparkonto hatte er nie gehabt – abheben konnte. Da er damit nicht weit kommen würde, beschloß er, das noch neuwertige Transistorradio zurückzugeben. Er fuhr mit dem Bus zu seiner Unterkunft im zweiten Bezirk und holte auch ein Blitzlichtgerät und einen Rasierapparat. In dem Geschäft dann erklärte man ihm, daß man die Sachen nur zurückkaufen könne, wenn er dafür neue Sachen kaufe. Bloch fuhr wieder mit dem Bus zu seinem Zimmer und nahm in einer Reisetasche zwei Pokale, die freilich nur Nachfertigungen von Pokalen waren, die seine Mannschaft einmal in einem Turnier, einmal im Cup gewonnen hatte, und ein Anhängsel, zwei vergoldete Fußballschuhe, mit.
    Als im Trödlerladen zunächst niemand kam, packte er die Sachen aus und stellte sie gleich auf den Verkaufstisch. Dann erschien es ihm zu selbstverständlich, daß er die Sachen schon so auf den Tisch gestellt hatte, als seien sie zum Verkauf angenommen, und er nahm sie schnell wieder vom Tisch, versteckte sie sogar in der Tasche und stellte sie erst auf den Tisch zurück, nachdem man ihn danach gefragt hatte. Hinten in einem Regal erblickte er eine Spieldose, auf der in der üblichenPose die Figur einer Tänzerin aus Porzellan stand. Wie immer, wenn er eine Spieldose sah, glaubte er, sie schon einmal gesehen zu haben. Ohne zu verhandeln, war er dann sofort auf das erste Angebot für seine Sachen eingegangen.
    Mit dem leichten Mantel, den er sich aus dem Zimmer geholt hatte, über dem Arm, war er darauf zum Südbahnhof gefahren. Auf dem Weg zum Bus war er der Zeitungsfrau begegnet, bei der er am Kiosk sonst die Zeitungen kaufte. Sie ging mit einem Pelzmantel und war mit einem Hund unterwegs; und obwohl er, wenn er eine Zeitung geholt hatte, beim Aushändigen von Zeitung und Münze, den Blick auf ihre schwarzen Fingerkuppen, sonst oft mit ihr geredet hatte, schien sie ihn jetzt, außerhalb des Kiosks, nicht zu erkennen; jedenfalls schaute sie nicht auf und hatte seinen Gruß nicht erwidert.
    Da im Lauf eines Tages wenig Züge in Richtung Grenze fuhren, vertrieb sich Bloch die Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges, indem er ins Aktualitätenkino ging und dort schlief. Einmal wurde es ziemlich hell, und das Rauschen eines zu- oder
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