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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
Autoren: Norbert Klugmann
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damit gedroht, ihn seiner Manneskräfte zu berauben, wozu nichts weiter nötig sei, als ein Kraut über seinem Kopf auszustreuen, und wenn er das nicht glauben würde, sollte er es eben riskieren. Beim eiligen Aufbruch war der abergläubische Kerl mit der Schulter gegen den Türrahmen geprallt. Der Schmerz hatte wochenlang angehalten.

4
    »Wollt Ihr nicht endlich zu Eurem Thema kommen?«
    Überrascht blickte Schnabel die Witwe an. Ihr Hals war zu dick, ihre Gesichtszüge waren nicht zart, der Kragen des Kleides lugte über den Kragen der Jacke, die wiederum nicht elegant wirkte, sondern bestenfalls praktisch. Anna Rosländer sah aus wie die Frau eines Handwerkers, nicht wie die Witwe des größten Lübecker Werftbetreibers und Reeders. Vor allem jedoch sah sie nicht glücklich aus. Schnabel schöpfte Mut.
    »Ihr habt Euch das Recht erworben, endlich zur Ruhe zu kommen«, sagte er.
    »Ich höre.«
    »Zur Ruhe nach einem Leben voller Aufregungen. Es liegt mir fern, auf Euer Alter anzuspielen, aber in aller Demut denke ich, dass es ein Alter gibt, in dem man nicht mehr gewillt ist, dazuzulernen. Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke.«
    »Redet einfach weiter.«
    »Ihr und Euer Mann, dessen Ruf von England übers Dänische bis weit in den Osten gedrungen ist, habt uns in den Jahren Eures gemeinsamen Wirkens viel Freude bereitet. Uns und der Stadt. Ihr seid Fleisch vom besten Lübecker Fleisch. Eure Schiffe befahren das Baltische Meer und sind weit darüber hinaus nach Norden und Westen vorgedrungen. Es würde mich nicht wundern, wenn in diesem Moment Menschen an der Küste Afrikas stehen, wie wir beide, und zusehen, wie eines Eurer Salzschiffe an ihnen vorbeifährt.«
    »Zu gütig.«
    »Es ist mein voller Ernst. Rosländers Schiffe befahren die halbe Weltkugel – denn bis zum Beweis des Gegenteils gehen wir ja alle davon aus, dass wir auf einer Kugel stehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren und ohne dass der Ozean überschwappt.«
    Etwas in Schnabel riet ihm, auf diesem heiklen Thema nicht weiter zu bestehen.
    »Dann traf Euch der Schicksalsschlag, Ihr habt Euren Mann verloren. Auch wir beklagen einen schweren Verlust, aber es ist etwas anderes, ob der Stuhl neben mir im Rat frei bleibt oder der Platz neben Euch in Eurem … nun ja.«
    »… Bett.«
    »So ist es. Niemand kann Rosländer ersetzen, nicht als Kaufmann, nicht als Politiker und Gönner, als Wohltäter und Stifter, als Ehemann und Vater. Seht Ihr, und weil das so ist   … sicher wisst Ihr, was ich meine.«
    »Ihr wollt mich heiraten.«
    Schnabel fiel vor Schreck beinahe ins Wasser.
    »Um Himmels willen, nein«, stieß er hervor, als sei er eine weite Strecke gelaufen. »Ich wäre geehrt, natürlich wäre ich geehrt und geschmeichelt. Wer weiß, vielleicht wären wir beide das Paar des Jahres.«
    Er wusste sich nicht anders zu helfen, als Anna neckisch in die Seite zu stoßen. Die sichere Katastrophe ahnend, packte er mit beiden Armen zu, um sie am Sturz zu hindern.
    »Ihr geht aber ran«, sagte sie, nicht halb so sehr außer Atem wie Schnabel.
    Im sicheren Gefühl, den Faden verloren zu haben, sagte er: »Euer Werk ist getan. Unsterblich seid Ihr längst geworden, niemand wird Euch jemals vergessen. Ein Denkmal ist Eurem verehrten Mann gewiss, ich darf in aller Bescheidenheit andeuten, dass alles Nötige dazu von mir in die Wege geleitet worden ist.«
    Zum ersten Mal drehte sie ihm ihr Gesicht zu. Schnabel dachte: Spiel mit, du hässliche Krähe, spiel bitte mit.
    Sie sagte: »Wie kommt Ihr auf den Gedanken, es könnte mir zu viel werden?«
    »Weil Ihr eine Frau seid.«
    So deutlich hatte er es nicht sagen wollen. Aber wo es nun heraus war, tat es ihm nicht leid, denn es handelte sich um die Wahrheit.
    Schnabel sagte: »Frauen sind nicht fürs Geschäftliche gemacht. Sie sind gemacht, um den Männern das Geschäftemachen so angenehm wie möglich zu machen.«
    »Weiß Eure Frau, wie Ihr über sie redet?«
    »Oh gewiss doch, wir sind bei diesem Thema keinen Zentimeter auseinander.«
    Das entsprach der Wahrheit, die Frau Ratsherrin Schnabel hatte keine fünf Minuten in ihrem Leben mit dem Gedanken gespielt, einen Beruf auszuüben. Sie stickte und häkelte, sie leitete Sitzungen des Wohlfahrts-Komitees und empfing die Frauen von Geschäftsleuten zum Teetrinken. Zur Not gab es auch einen Schnaps und zwei bis drei ungehörige Bemerkungen über Männer. Aber danach schämte sie sich dafür, wie es sich gehörte.
    »Eine Zeit lang kann man es machen«,
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