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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
Autoren: Norbert Klugmann
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Das Schiff wollte kein Ende nehmen, nach dem ersten Mast folgte ein zweiter, was niemanden in Aufregung versetzte. Doch dann folgte der dritte und das Schiff war immer noch nicht zu Ende. Am Ende waren es fünf Masten und ein Schiff von ungeheuren Ausmaßen, wie es kein Lübecker jemals gesehen hatte. Die Älteren hatten die Adler von Lübeck erlebt, die war groß gewesen. Dieses Schiff war größer als die Adler, niemand hatte jemals solche Segel gesehen: weiß und rot und ein Schriftzug quer über die Landschaft der Segel.
    »Die alte Schlüter«
    Die Menschen buchstabierten die Wörter und wussten nicht, was sie bedeuten sollten. Sie buchstabierten langsam und immer wieder, als ob beim vierten Mal ein anderes Wort auf den Segeln stehen würde.
    Das obere der beiden Kanonendecks war mit vier Waffen bestückt, das untere war leer. Einige Gestalten zeigten sich an Deck, keine winkte, aber es drohte auch niemand. Keiner hielt Pistolen in der Hand, Frauen waren darunter und wohl auch junge Menschen.
    Trine Deichmann stand nicht direkt neben Anna Rosländer. Aber sie stand dicht genug, um deren Gesicht zu erkennen. Aufmerksamkeit strahlte es aus und Spannung. Die Witwe war konzentriert und auch neugierig.
    Nun war das Schiff in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar geworden. Am Heck flatterte müde die Fahne Lübecks. Die ersten Männer eilten zum Kai und waren bereit, die zugeworfenen Seile zu packen, um das Schiff festzumachen.
    Niemand wich weiter zurück, aber ans Wasser kamen sie auch nicht. Dazu war alles zu groß: Schiff und Überraschung.
    Zögernd erhoben sich Stimmen. Jemand sollte den Menschen erklären, was hier stattfand. Eine Werft brannte ab, ein Schiff tauchte auf, neu gebaut, das sah ein Laie. Die Spannung wuchs. Und die Bewunderung. Mochten viele Lübecker auch Stinkstiefel sein, als Menschen der Küste waren sie mit Schiffen aufgewachsen. Sie erkannten unfassbare Schiffe, wenn sie ihnen begegneten. Und dieses Schiff war einmalig.
    Erste Pfiffe ertönten und hießen das Schiff willkommen. Leinen wurden geworfen, gefangen, geschlungen. Die alte Schlüter hatte festgemacht.
    Bevor der erste Passagier das Land betrat, war Trine Deichmann hin- und hergerissen . Ihr Gedächtnis war hervorragend, sie erinnerte sich an Gesichter, auch wenn Jahre seit der letzten Begegnung vergangen sein mochten. Schwierig wurde es mit Gesichtern, die sich im Wandel befanden, wie es bei Kindern der Fall war, die zu jungen Erwachsenen emporwuchsen.
    Trine dachte: Es ist unmöglich. Sie ist es nicht, sie ist es nicht.
    Neben Trine spielte sich der gleiche Zweifel ab. Aber dass möglich war, was unmöglich sein musste, bewies den Zweiflern der Blick auf den Mann neben der jungen Frau.
    Im selben Moment schrie Sybille Pieper los:
    » Jütte ! Hier! Hier unten. Bist du blind, dass du deine Frau nicht siehst?«
    Er zögerte und winkte dann.
    Die Planke verband Schiff und Land, aber niemand ging von Bord. Dafür stand Anna Rosländer an der Stelle, wo die Passagiere Lübecker Boden betreten würden. Sie musste nicht um Ruhe bitten, die kam von ganz allein.
    »Lübecker!«, rief sie, »dies ist ein Tag, der alles enthält. Vielleicht zu viel für manchen unter uns, der ein gemächlicheres Tempo gewohnt ist. Die alte Schlüter gibt sich die Ehre, mein Geschenk an die Stadt, meine Erinnerung an meinen geliebten Mann.«
    »Aber wieso?«, wurde gerufen. »Wie geht das? Es ist doch alles abgebrannt.«
    Lächelnd antwortete Anna Rosländer: »Nicht nur die Buchführung kann doppelt sein. Nicht nur der erwartete Säugling kann sich bei der Geburt als zwei Säuglinge entpuppen. Nehmt es mir nicht übel, aber ich hatte von Anfang an einen Verdacht, einen ganz leisen, ganz leichten Verdacht, dass ich mit meinem Schiff in Lübeck nicht nur Freunde finden werde. Ich hielt für möglich, dass es schwer wird. Ich habe gezögert und hatte dann den Einfall, der alles in Gang brachte.«
    Stille, vollendete Stille.
    »Ich habe angefangen, in Lübeck zu bauen. Als das geschah, hatte ich schon angefangen, in Stralsund zu bauen. Wie ihr wisst, gibt es Verbindungen zwischen mir und Stralsund, alte Verbindungen, Liebe und Familie. Lübeck wurde laut und mühsam und mehr als einmal unangenehm. Stralsund lief heimlich, still und leise. Und als der erste Wind kam und mit dem Gedanken spielte, sein Wissen nicht für sich zu behalten, spielte er bald mit einigen Münzen und freute sich, dass er ein Geheimnis für sich behalten konnte.«
    »Ihr habt sie gekauft!«,
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