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Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Die Adler von Lübeck: Historischer Roman

Titel: Die Adler von Lübeck: Historischer Roman
Autoren: Norbert Klugmann
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visierte einen Punkt neben Annas Kopf an und dachte: Da guckst du jetzt hin, bis die Sonne untergeht.
    »Ich meine, er musste wissen, dass die seltsamen Namen zu armen Menschen gehörten. Das ist ja, als würden die Einbrecher Wert darauf legen, dass die Armen nicht mehr arm sein müssen. Wer denkt bloß so? Als wäre der Bischof bei mir eingebrochen.«
    Trine dachte: Der eher nicht.
    Auf der Straße wurde es laut. Anna zog sich zusammen.
    »Nicht schon wieder«, sagte sie kläglich. »Mein Bedarf an Besuchen ist gedeckt.«
    »Nicht jeder Lärm muss Euch gelten«, versicherte Hedwig, um im nächsten Moment selbst zusammenzuzucken. Denn an der Tür wurde es laut. Keine Schreie, stattdessen züchtiges Klopfen. Anna blieb sitzen, bis der Diener erschien.
    »Das müsst Ihr Euch ansehen«, sagte er aufgeregt und war gleich wieder verschwunden.
    Sie warteten im Flur, zwei Männer, eine Frau. Der Geruch nach Seife war betörend. Durch die offenstehende Haustür sah man weitere Stadtstreicher, bestimmt 30 an der Zahl. Sie bildeten einen Halbkreis um die Haustür, alle wirkten friedlich, geradezu feierlich. Fast alle waren nüchtern.
    Als Anna mit den Freundinnen im Schlepptau auftauchte, verneigten sich die drei, die im Haus standen. Einer hatte einen Sack dabei, nicht groß, aber schwer. Das sah man, auch wenn der Sack auf dem Boden stand.
    Es redete allein der, der sich als Engelbert Kross ausgab. Seine Haare waren grotesk kurz, augenscheinlich frisch geschnitten, entweder mit stumpfem Messer oder wenig Talent. Im schlimmsten Fall mit beidem.
    »Verehrte Frau Witwe«, begann Kross. »Im Namen von mir und den Halunken da draußen spreche ich Euch unsere Hochachtung aus. Ihr seid eine starke Frau. Schön seid Ihr außerdem, das Letzte war eine persönliche Bemerkung. Und Ihr habt einen guten Mann, der uns heute zusammenführt. Nicht weil er tot ist, sondern weil er etwas getan hat, als er noch lebendig war. Euer Mann hat uns die Schuldscheine geschenkt, die uns zu reichen Menschen gemacht haben. Seit einer Stunde schwimmen wir in Geld. Das wird nicht lange dauern, aber bis dahin werden wir feiern und essen und trinken. Wir werden uns Hosen und Mäntel und Hemden kaufen, ich freue mich auf neue Schuhe, und vielleicht werde ich den Winter in einem Raum verbringen, in dem ein Ofen steht.
    Heute wurden die Schuldscheine eingelöst. Alles ist ordnungsgemäß abgelaufen, auch wenn sich der Advokat ständig in den Vordergrund drängen musste, so ist er doch ein korrekter Mann, was wir nicht gering schätzen. Wir haben unser Geld zusammengelegt und zwei Haufen daraus gemacht. Den einen Haufen haben wir unter uns aufgeteilt. Den zweiten Haufen geben wir Euch.«
    Der Begleiter von Kross packte den Sack, trug ihn zu Anna und ließ ihn zentimeterdicht vor ihren Zehen auf den Boden fallen. Dafür bekam er von seiner Begleiterin nach der Rückkehr in die Reihe den Ellenbogen in die Rippen.
    »Das ist die zweite Hälfte«, sagte Kross. »Sie ist nicht für Euch persönlich. Nicht, dass Ihr jetzt anfangt und Euch mit Schmuck behängt, wie Frauen das gerne tun.«
    Der nächste Ellenbogen landete in den Rippen des Redners.
    »Das Geld ist für das Schiff. Jeder weiß von dem Schiff, jeder weiß, warum Ihr das Schiff baut. Weil Ihr davon träumt, so ein Schiff zu bauen. Wir alle träumen, wenn auch nicht jeder von einem Schiff. Aber ihr haltet an Eurem Traum fest, auch wenn die Lübecker Pfeffersäcke Euch dafür angiften. Das finden wir stark, dafür mögen wir Euch. Wir wissen nicht, wie teuer so ein Schiff kommt. Aber wir hoffen, dass es mit unserem Geld leichter gehen wird. Wir nehmen es nicht zurück, da könnt Ihr sagen, was Ihr wollt. Wir danken Euch, dass Ihr uns zugehört habt, und sind gleich wieder weg. Denn heute hauen wir auf den Putz, dass die Stadt wackelt. Falls Ihr nicht unbedingt raus müsst, würde ich an Eurer Stelle zu Hause bleiben. Ist kein schöner Anblick, an jeder zweiten Hausecke einen zu sehen, der sein Essen auskotzt. Aber was sein muss, muss sein. Liebe Frau Witwe, wir wünschen schönes Bauen.«
    Kross sah aus, als sei er mit seinen letzten Worten nicht zufrieden. Aber er ließ sie so stehen und verließ mit seinen Begleitern das Haus.
    Anna Rosländer folgte ihm. Auf der Treppe stehend, hielt sie eine kurze Rede. Sie bedankte sich, sie war gerührt. Sie versprach, das Schiff weiter zu bauen und es allen Lübeckern zu widmen, die ein gutes Herz besäßen. 30 solche Lübecker habe sie eben kennenlernen dürfen und
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