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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Autoren: Karlheinz Deschner
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Kirchenluft und ihre Folgen

    Kaiser Heinrich II. (= Herzog Heinrich IV. von Bayern) der Heilige (1002–1024) wurde am 6. Mai 973 oder 978 geboren; vielleicht in Abbach bei Regensburg, vielleicht in Hildesheim. Hier jedenfalls lebte er während der Verbannung seines Vaters Heinrich »des Zänkers« von Bayern (V 523 ff., 544 ff.). Und die Hildesheimer Domschule hat ihn auch für den geistlichen Stand ausgebildet; wahrscheinlich weniger wegen seiner schwachen Gesundheit, als wegen Kaiser Ottos II. Absicht, den Sprößling seines Gegners um jede Teilhabe an der Reichsgewalt zu bringen. In Regensburg wurde dann die Ausbildung des Prinzen durch den »Reformkleriker« Ortsbischof Wolfgang beendet, den Freund des großen Urkundenfälschers Pilgrim von Passau (V 441 ff., 528 f.), wobei ihn auch Abt Ramwold von St. Emmeram beeinflußt hat, gleichfalls ein reger Propagandist der Gorzer Reform. Kurz, Heinrich wuchs in Kirchenluft auf, und zeitlebens blieb er darin, blieb er seiner geistlichen Erziehung verhaftet – ja Sinn der Sache.
    Für einen so geformten Kopf aber zeitigt das Folgen. Er lavierte nicht nur, was sich schwer vermeiden ließ, wollte man zwischen all den Adelsgruppen regieren; er lockte nicht nur, da mit großen Lehen, dort mit attraktiven Pfründen. Nein, er nutzte auch die Zwietracht der Magnaten, intrigierte, agitierte, trieb immer wieder zu Konflikten. Er setzte vor allem die tradierte Gegnerschaft der Liudolfinger, zumal der bayerischen, gegen die Konradiner und die schließlich mit ihnen kooperierenden Salier fort. Er verbreitete Angst. Er schloß Freundschaften und brach sie rasch wieder. Er bedachte besonders die bayerischen Bistümer, begünstigte Verwandte und übersah noch so berechtigte Erwartungen anderer. Er verstellte sich gern. Seine häufigen Listen streiften mitunter an Heimtücke. Er betrieb offensichtlich Unrecht durch ungerechte Richter, und selbst der ihm wohlgesonnene, sehr ergebene Thietmar, der ihm zwei Bücher seiner Chronik widmete, gestand einmal: »alles Volk murrte, und heimlich beschwerte man sich, der Gesalbte des Herrn sündige«.
    Harmloser vielleicht Heinrichs Faible für makabre Späße. So amüsierte er sich zum Beispiel mit seinem ganzen Hofstaat (freilich nicht ohne Zurechtweisung) über die Todesangst eines nackten, mit Honig beschmierten Mannes, den ein Bär ableckte! Makaber, auf ganz andere Art, seine forcierte Ausbeutung der Silberminen des Rammelsberges bei Goslar, ein so gewaltiges Holzverschwenden, daß es zu einer ökologischen Krise im Harz führt, mit der rasch wachsenden Fichte im Gefolge.
    Vor allem aber gebraucht der Heilige, der immer wieder Frieden gebietet, Frieden beschwören läßt, fortdauernd Gewalt – einer »der kriegerischsten Könige der Zeit« (Fried).
    Persönlich wirkt der künftige Kaiser fromm. Er besucht ab und zu ein prominentes Heiligengrab, verehrt selbstverständlich Reliquien, nimmt überhaupt häufiger als andere Fürsten der Zeit an kirchlichen Zeremonien teil. Ja, er demonstriert bei fast jeder Gelegenheit seinen Glauben. Kaum nachdem er so an Weihnachten 1002 in Frankfurt »die Fleischwerdung des Herrn« gefeiert, verbringt er am 24. Januar 1003 in Aachen das Jahresgedächtnis seines Vorgängers »in größter Andacht«, kommt dann aus Liebe zu dem hl. Servatius (gest. 384) zu dessen Grab nach Maastricht, zieht weiter nach Lüttich, um den dortigen Patron Lambert (gest. um 703) zu verehren, begeht, wieder in Aachen, am 2. Februar 1003, »in Ehrfurcht das Reinigungsfest der Gottesmutter«, worauf er nach Nimwegen eilt, um da zur Fastenzeit »zunächst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu erlangen ...«, wie Thietmar von Merseburg meint, unsere Hauptquelle für Heinrich.
    Hat diese Frömmigkeit etwas »Berechnendes«? Natürlich, wie jede Frömmigkeit; zumal die christliche! Die seiner Gattin etwa, der hl. Kunigunde, von der es nicht weniger als 60 Urkunden mit der Formel »pro remedio animae« gibt, zum Heil der Seele oder mit analogen Floskeln.
    Bekanntlich war Heinrich, der »rex canonicus«, der sich als »oberster Reichskleriker« verstand, auch Inhaber mehrerer Kanonikate. Seit 1007 gehörte er in Bamberg, seit 1010 in Magdeburg dem Domkapitel an, ist aber auch Kanoniker in Straßburg, Aachen, Paderborn, Hildesheim. Er beteiligt sich an Gebetsgemeinschaften von Domkapiteln und bezieht deren Pfründen. Er tritt der Gebetsgemeinschaft von Montecassino bei, schließt mit Cluny eine »Societas et fraternitas«, verbrüdert
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