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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde
Autoren: Richard Doetsch
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die Herzen der Menschen hart, bei dem Gedanken an Reichtum zerfallen Werte und Moral, aber vor der Liebe wird beides zweitrangig.«
    Hennicot nahm einen achteckigen Schlüssel heraus, den Paul Dreyfus exklusiv für ihn entworfen hatte. Dreyfus zückte einen gleich aussehenden Schlüssel, und Nash ebenfalls. Jeder schob seinen Schlüssel in ein Schloss auf einer der drei Seiten des Holzkastens und drehte ihn.
    Hennicot hob den Deckel und enthüllte ein Samtfutter, das fast bis zum Rand des Fachs reichte. In der Mitte befand sich eine einzelne, ungefähr acht Zentimeter durchmessende Vertiefung, in die exakt die goldene Uhr passte.
    Und alles war klar.
     »Mein Großvater hat sie gefunden«, sagte Hennicot. »Besser gesagt … ich glaube, er hat sie gestohlen, einem Mann aus Venedig, der sie wiederum der französischen Familie Martinot entwendet hatte. Mit dieser Uhr hat mein Großvater sein gesamtes Vermögen erworben, indem er in der Zeit zurück- und wieder vorgereist ist und die Wendungen des Schicksals beeinflusst hat. Sein Imperium gründete sich darauf. Ein Imperium, das mein Vater weiter anwachsen ließ. Beide waren habgierige Menschen, denen es nur um die Macht ging, ohne dass sie je begriffen hätten, welche Konsequenzen ihr Tun haben könnte.
    Als die Uhr am Totenbett meines Vaters an mich überging, schwor ich mir, niemals den Gelüsten zum Opfer zu fallen, die meinen Vater verzehrt hatten. Ich setzte mir zum Ziel, die Uhr nur zum Besten der Welt einzusetzen. Doch schon bald erfuhr ich, dass auch gute Absichten katastrophale Folgen nach sich ziehen konnten. Deshalb habe ich die Uhr an einem sicheren Ort aufgehoben und darauf verzichtet, ihre Fähigkeiten weiterhin einzusetzen. Stattdessen nahm ich mir vor, die Milliarden gerecht zu verteilen, die meine Vorfahren angehäuft hatten, ohne an die Ergebnisse ihres Handels zu denken, an die Folgen, die ihre Reisen für die Welt hätten.
    Wer weiß, wie unsere schicksalhaften Begegnungen sich aufeinander auswirken? Wenn in China ein Schmetterling mit den Flügeln schlägt – löst er damit in Europa einen Krieg aus? Die Was-wäre-wenns des Schicksals sind endlos: Wäre Kolumbus nicht von Königin Isabella finanziert worden, hätte Hitler den Krieg gewonnen, hätte Einstein nicht an Roosevelt geschrieben und ihn gedrängt, die Atombombe entwickeln zu lassen … Wie sollen wir wissen, was gewesen wäre? Wer sind wir, dass wir uns anmaßen, Gott zu spielen?«
    »Aber wenn Sie gewusst haben, wie gefährlich die Uhr ist, warum haben Sie sie dann nicht zerstört?«, fragte Nick.
     »Wir alle sind fehlbar, Nicholas. Ganz gleich, wie edel wir uns rühmen, jeder von uns glaubt, dass er rechtschaffen denkt und handelt und von standhaftem Charakter ist. Ich glaubte, der Versuchung widerstehen zu können und die Möglichkeiten der Uhr nur in den allerschlimmsten Fällen zu nutzen.«
    »Und der Tod Ihrer Frau war solch ein Fall«, sagte Nick verständnisvoll.
    »Nein, Nicholas. Das war kein solcher Fall.«
    Nick blickte ihn fragend an.
    »Sie sind durch die Zeit gesprungen, um Julia zu retten«, sagte Hennicot. »Sie wären durch die Feuer der Hölle gegangen und wieder zurück, wenn Julia dadurch wieder gelebt hätte. Nun, auch ich kenne diese Liebe. Ich wusste, dass Sie bei Ihren Reisen nicht mit dem Tod Ihrer Frau haltmachen, sondern im Angesicht von so viel Leid und Sterben auch Katherine und jedem an Bord dieses verhängnisvollen Fluges das Leben retten würden.«
    Hennicot hob den Brief, den Nash Nick gegeben hatte, und wies auf den Absatz, der in den fremdartigen Schriftzeichen verfasst war. »Als ich von Julias Tod hörte, schickte ich Nash mit der Uhr und diesem Brief zu Ihnen. Wenn meine Frau bei einem Flugzeugabsturz umkommt, ist das eine Sache, aber es ist etwas anderes, wenn Ihre Frau unschuldig ermordet wird, weil ich es versäumt habe, mich ein für alle Mal von diesem Ding zu befreien. Ich liebe Ihre Frau wie eine Tochter, Nicholas, und wenn ich sterbe, wenn meine Frau stirbt, fällt mein Erbe an Julia … aber das bleibt bitte unter uns.« Lächelnd tätschelte Hennicot Nick die Hand.
    »Wenn Sie so freundlich wären«, sagte Hennicot und neigte den Mahagonikasten zu Nick.
    Nick blickte auf die goldene Uhr, öffnete den Deckel und las ein letztes Mal die Inschrift: Fugit irreparabile tempus . Dann schloss er sie und legte sie in die kreisförmige Mulde im Samtfutter des Mahagonikastens.
     Dreyfus nahm den Kasten vom Tisch und schloss den Deckel, drehte
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