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Die 10. Symphonie

Die 10. Symphonie

Titel: Die 10. Symphonie
Autoren: Joseph Gelinek
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Karkasse in der silbernen Presse, wie es bei diesem Rezept üblich war, vor seinen Augen geschehen sollte, denn die Funktionsweise des mechanischen Apparats hatte ihn seit jeher fasziniert.
    Der K üchenchef wartete nun auf das Signal des Millionärs, mit der Prozedur zu beginnen. Jedem Beobachter dieser Zeremonie hätte sich wohl der Vergleich zu einer öffentlichen Hinrichtung mit der Garrotte aufgedrängt. Bloß dass das Tier bereits tot war - erstickt, damit es keinen einzigen Tropfen Blut verl öre - und dass das Gerät nicht mit einem Hebel, sondern einem kleinen Rad betätigt wurde.
    Als Haissant alles Blut aus der Ente gepresst hatte, vermischte er es mit Cognac und Portwein. Anschlie ßend wurde die Mischung auf einem kleinen Kocher erhitzt, um daraus die Soße zu gewinnen, mit der nachher die Entenbrust gewürzt wurde.
    Als der Chef den Gaskocher mit seinem Feuerzeug entz ündete, blickte Marañón gerade aus dem Fenster rechts neben sich - und glaubte, im Fensterglas spiegelten sich die Flammen des Kochers.
    Was er sah, war jedoch etwas vollkommen anderes: Ein Triebwerk brannte lichterloh.

Epilog
    D
    rei Tage nachdem die Polizei Daniel aus dem Haus der Richterin Rodriguez Lanchas befreit hatte, wollte er seine Joggingrunde im Park in der N ähe des Musikwissenschaftlichen Instituts wiederaufnehmen. Doch noch schmerzte seine Nase zu sehr beim Laufen, so dass er beschloss, bloß einen Spaziergang in Straßenkleidung zu machen. Den MP3 -Player hatte er an diesem Tag im Büro liegengelassen und hörte daher sofort die bekannte Stimme hinter ihm, die seinen Namen rief: »Sehor Paniagua!« Daniel blieb stehen und schaute, wer ihn gerufen hatte. Es war der Mann vom Hotdog-Stand.
    »Sie sind ja kaum wiederzuerkennen! Was haben Sie denn da an der Nase?«
    »Eine Schiene. Vor ein paar Tagen hat man mir beinahe die Nasenscheidewand eingeschlagen.« »Oje. Aber Sie sind eine Berühmtheit! In der Presse habe ich gelesen, dass Sie eine entscheidende Rolle bei der Ergreifung der Guillotinen-Mörder gespielt haben.« »Um die Wahrheit zu sagen, Antonio, hätte ich lieber eine weniger entscheidende Rolle gespielt und dafür keine Angst um mein Leben gehabt.«
    »Möchten Sie einen Hotdog?«, fragte der Verkäufer und toastete bereits das Brötchen, ohne Daniels Antwort abzuwarten. »Und jetzt sind Sie also Millionär? In der Zeitung stand, dass Sie das Versteck der zehnten Symphonie entdeckt haben. «
    »Dummerweise ist mir jemand zuvorgekommen: Als die Europol den Safe in der Bank geöffnet hat, war er leer.« »Und Sie gucken in die Röhre.« »Mehr oder weniger«, antwortete Daniel. »Da stand, dass der eine Mörder von der Polizei erschossen wurde. Was ist mit der Frau? Ist sie geschnappt worden?«
    »Ja, heute Morgen - in Almeria. Sie wollte sich auf einer Fähre nach Marokko einschiffen. Das hat mir der Inspector, der für die Ermittlungen zuständig ist, eben am Telefon erzählt. Heute Abend können Sie es sicher in den Nachrichten sehen. Sie wurde entdeckt, weil ein Graphologe der Polizei ihre Schrift in ein paar dreißig Jahre alten Briefen erkannt hat. Er konnte sie den Unterschriften der Richterin unter verschiedenen Verfügungen und Bescheiden zuordnen. Sie unterschrieb die Briefe mit einem L für Lanchas. Ronald Thomas, der früher einmal ihr Liebhaber war, hatte sie bei ihrem Nachnamen genannt; das tun ja manche Paare.«
    »Der enthauptete Musiker war mit der Richterin zusammen? Ich dachte, er wäre schwul gewesen.« »Thomas hatte eine ähnliche Geschichte wie Leonard Bernstein.« »Wer ist das denn?«
    »Sie kennen doch bestimmt das Musical West Side Story. Die Musik ist von Bernstein: / like to be in America / Okay, by me in Ameri-ca ...«
    Der Hotdog-Verk äufer lächelte, als Daniel das berühmteste Lied aus dem bekanntesten Musical aller Zeiten sang. »Bernstein«, erzählte Daniel weiter, »war viele Jahre mit der Chilenin Felicia Montealegre verheiratet. Sie hatten drei Kinder. Als er älter wurde, fühlte er sich stark genug, seine Frau zu verlassen, um mit dem Radio-Musikdirektor Tom Cothran zusammenzuleben. Der Unterschied zwischen Bernstein und Thomas ist, dass Ersterer zu seiner Frau zurückkehrte, als er erfuhr, dass sie Krebs hatte, und sich bis zu ihrem Tod um sie kümmerte. Thomas dagegen schienen nie Schuldgefühle wegen des Unfalls, bei dem seine damalige Freundin verstümmelt wurde, zu plagen. Während der ganzen Monate, die sie im Krankenhaus in Almeria lag, besuchte er sie kaum
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