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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem
Autoren: Harry Thürk
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allerlei selbst gefertigte Gebrauchsgegenstände. Sogar ein japanisches Transistorradio war hier und dort vorhanden, noch aus der Zeit, als die Amerikaner brauchbare Dinge brachten, oder aus Cola-Büchsen gefertigte Trinkgefäße, und Salzbehälter, die ursprünglich Konservendosen gewesen waren.
    Verfolgte man die Geschichte Muong Nans bis zu ihrem Anfange zurück, fände man den Namen dieser Ortschaft schon um eine Zeit erwähnt, da es weit im Norden, in den Tälern südlich des Yangtse, den Mongolenheeren des Kublai Khan gelungen war, das Reich Nan Chao zu erobern. Das war mehr als siebenhundert Jahre her. Von da an strömten die Völker aus den von den Mongolen eroberten Gebieten südwärts, und sie zogen auch über die Berge durch das Gebiet um Muong Nan. Viele von denen, die heute in den großen Städten des Landes wohnten, die Staat und Wirtschaft verwalteten, waren Abkömmlinge dieser Zugewanderten.
    Jene, die immer in den Bergen gewohnt hatten, waren dort geblieben. Die Begründung des Reiches der Thai verfolgten sie aus der Entfernung. Gewiss, sie begrüßten es, dass Siam, das „Land der Freien", erstarkte und dass es sich seiner Nachbarn erwehren konnte. Aber im Grunde veränderte das nicht ihr Leben. Zuweilen gab es Auseinandersetzungen mit anderen Stämmen, die ebenfalls in den Bergen angesiedelt waren, den Meo oder den Lawa. Doch man einigte sich immer wieder. Es gab Zeiten, da leistete man sich sogar Beistand, wenn die Steuereinnehmer aus den Ebenen im Süden in die Berge kamen und allzu viel forderten.
    Für die Bewohner der großen Städte im Süden war die Gebirgsbevölkerung immer eine unbekannte Größe gewesen. Man war daran gewöhnt, dass aus ihrem Gebiet das Opium kam, jene aus dem Mohn gewonnene Droge, die in der Geschichte Asiens schon oft eine Rolle gespielt hatte. Die Bergbewohner selbst genossen sie nur sparsam, sie kannten ihre Wirkung. Meist nahmen sie sie gegen Schmerzen, oder sie kauten die zähe, braune Masse gegen den Hunger. Chinesische Händler hatten sich, gemäß der ihnen eigenen Geschäftstüchtigkeit nach und nach im Vorland der Berge angesiedelt und traten als Zwischenhändler auf. Zuweilen hatte es Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den lokalen Machthabern gegeben, die selbst das Geschäft machen wollten. Der Mohn blühte dessen ungeachtet weiterhin in den Berggegenden, und der kühle Wind wiegte die Pflanzen, während in den Kapseln der weiße Saft heranreifte, bis die farbigen Blütenblätter schließlich abfielen und die Dorfleute mit ihren kleinen Messern kamen. Es gab in Thailand Millionäre, die ihren Reichtum dem Opium verdankten. Von den Bergbewohnern wurde niemand reich. Selbst ein bescheidener Wohlstand blieb aus. Man fristete sein Leben, das war alles.
    Nun hatten die Amerikaner, die Bangkoks Generalsregierung ins Land gerufen hatte, das Geschäft so gut wie ganz übernommen. Uniformierte, die mit Flugzeugen kamen, hatten die thailändischen Aufkäufer verdrängt, teils mit Gewalt, teils mit besseren Preisen. Sie wollten nicht nur ein bisschen von der braunen Substanz kaufen, die durch komplizierte Destillationsprozesse in Heroin verwandelt werden konnte - sie wollten die gesamte Ernte. Und sie wendeten seltsame Mittel an, um ans Ziel zu gelangen. Sie bestachen, täuschten, überredeten, zwangen. Thailands Regierung, die auf ihrem Territorium ein halbes Dutzend Luftstützpunkte der Vereinigten Staaten hatte errichten lassen, duldeten sie stillschweigend.
    In vielen Fällen machte sie sich zum Helfer der Amerikaner.
    Der Unmut darüber wuchs. Aber Amerikas Abgesandte verfügten in diesem Land über so viel Macht, dass sie den Unmut nicht zu fürchten brauchten.
    Bansammu, der alte Mann mit dem wettergebräunten Gesicht und dem silbergrauen haar, saß auf dem Eisenholzstamm vor seiner Behausung in Muong Nan. Er war müde von dem langen Weg durch die Berge. Viele Tage war er, von zwei Männern begleitet, mit den Tragtieren hierher unterwegs gewesen. Er hatte in Chiengmai so lange gewartet, bis er einsehen musste, dass sich nichts mehr ändern ließ. Jetzt überlegte er, wie das zu erklären wäre, was sich da abgespielt hatte. Über dem Dorfplatz lag bereits Schatten. Die Sonne war bereits hinter den Bergkuppen untergetaucht. Im Dorf war es still. Nur ein paar Hühner gackerten schläfrig, und aus dem Waldstreifen, der das Dorf säumte, kamen vereinzelte Vogelrufe. Kein Rauch von Kochfeuern lag in der Luft, nicht der Duft von Tabak, den der Nachbar rauchte.
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