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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem
Autoren: Harry Thürk
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brachten in ihren Flugzeugen Säcke und Kisten mit erstaunlichen Dingen, und die Bergbewohner fanden es günstig, dass sie ihr Rohopium nicht mehr über die halsbrecherischen Pfade ins Tiefland zu transportieren brauchten.
    Es schien, als sei der Wohlstand in die Berge eingezogen. In den Pfahlhäusern brannten am Abend helle Benzinlampen, die Kinder aßen Fleisch aus Büchsen und tranken Milch, die als Pulver geliefert wurde. Sie naschten von dem Zuckerwerk, das die Amerikaner verteilten, und die Frauen trugen leichte, bunte Kattunkleider. Hier und da spielte ein Radio. Die Männer hatten Taschenlampen und Feuerzeuge. Das war aber nur eine Weile so gegangen. Heute luden die Amerikaner kaum anderes als Waffen aus, und die waren für die Leute in den Bergdörfern nutzlos. Zwar verfügte der eine oder andere in Muong Nan wohl über eine Jagdflinte, meist ein sehr altes Exemplar, und erfreute sich, wenn er es gegen ein neueres Modell tauschen konnte.
    Wozu aber sollten sie ein Maschinengewehr oder einen Granatwerfer brauchen?
    Das Problem löste sich zunächst dadurch, dass bunt zusammen- gewürfelte Haufen von Banditen aus dem nordöstlichen Burma über die Grenze kamen. Angehörige der Stämme der Schan und der Karen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten einen Kleinkrieg gegen die Staatsmacht in ihrem Lande führten. Für sie waren Maschinengewehre und Granatwerfer nützlich. Sie bezahlten mit Opium dafür. In Muong Nan lagen alle Erdgruben unter den Pfahlhäusern wochenlang voller Plastsäcke mit der braunen Opiummasse, bis die Amerikaner sie holten und wieder Maschinengewehre dafür brachten, Handgranaten und Munition. Nahrungsmittel gab es nur noch selten, die waren angeblich knapp geworden. Nach und nach war Muong Nan wie viele andere kleine Gebirgsdörfer zu einer Umschlagstelle geworden: Waffen gegen Opium. Was die Kinder von Muong Nan essen Sollten, kümmerte die Amerikaner nicht. Dennoch würde es bald im Dorf eine Besserung geben. Lo Wen, der Vorsteher, war zusammen mit Bansammu, dem Onkel des Mädchens Satchanasai, nach Chiengmai gezogen, vor mehr als zwei Wochen schon. Die beiden Männer hatten alle verfügbaren Maultiere mit Rohopium beladen, um es in Chiengmai, der ersten großen Stadt in der Ebene, gegen Geld einzutauschen. Dafür würden sie alles kaufen, was das Dorf brauchte: Salz, Mehl, Dörrfisch, geräuchertes Geflügel, Öl, Zucker und Tabak.
    Bevor die Karawane aufbrach, waren lange Debatten darüber geführt worden, ob man sie bewaffnen sollte oder nicht. Eine Anzahl junger Männer war bereit gewesen, zum Schutz mitzugehen. Schließlich hatten sie sich entschieden, lieber unbewaffnet loszuziehen. Gewiss, sie konnten einer der in den Bergen vagabundierenden Horden von Kuomintangbanditen in die Hände fallen. Die würden die Männer töten und das Opium rauben, um es den Amerikanern zu verkaufen, mit denen sie auf gutem Fuß standen. Aber Lo Wen hatte gemeint, mit einigem Geschick ließe sich eine solche Begegnung vermeiden. Ebenso wie Bansammu kannte er jeden Pfad in den Bergen, und die Karawane würde auf einer Route marschieren, die so gut wie sicher war.
    Die Männer hätten längst zurück sein müssen. Satchanasai war ein wenig beunruhigt. Sie lebte seit ihrer Kindheit bei ihrem Onkel.
    Bansammu hatte versprochen, ihr aus Chiengmai eine Haarspange mitzubringen. Nun war sie neugierig, ob er das auch nicht vergessen hätte. Satchanasais Haar fiel weit über ihre Hüften herab, in einen dicken Zopf geflochten. Wer sie auf dem Mohnfeld sah, das Gesicht voll von verkrustetem Hühnerblut und von Erde, konnte dennoch feststellen, dass sie ein außerordentlich schönes Mädchen war. Als der amerikanische Pilot der ersten Maschine, die bei Muong Nan gelandet war, sie angesehen hatte, war er überrascht gewesen. „Warum bist du hier in den Bergen? Du gehörst nach Bangkok! Dort könntest du mit deinem Aussehen eine Million machen!"
    Satchanasai hatte nur gelacht. Der Pilot war von ihren großen dunklen Augen mit den sanft geschwungenen Lidern so beeindruckt gewesen, dass er ihr mehrmals Geschenke aus Bangkok mitgebracht hatte, ein Kleid, ein Stück duftender Seife oder Schokolade. Er hatte lange um sie geworben, und das, Mädchen war ihm ausgewichen. Warum stellte er sich so dumm an? Merkte er nicht, dass sie nicht mit ihm allein sein wollte? Es ihm offen zu sagen, wäre unhöflich gewesen. Also entschloss sich Bansammu eines Tages, dem Amerikaner mitzuteilen, dass Satchanasai einem jungen Mann
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