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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem
Autoren: Harry Thürk
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Nur ein paar alte oder kranke Leute waren zu Hause geblieben, die anderen waren auf den Feldern. Das Geplärr der Kinder fehlte.
    Satchanasai winkte Bansammu, der in Gedanken versunken auf dem Baumstamm saß, schon von weitem zu.
    Er sah sie an und blickte dann über sie hinweg auf die Berge. Es dauerte lange, bis er das erste Wort sprach.
    „Sie haben Lo Wen verhaftet.“
    „Verhaftet? Wer? Und warum?“
    Immer noch über den Sinn der Vorgänge grübelnd, berichtete er:
    „Lo Wen hat mit dem Händler gesprochen und ist dann zurückgekommen. Damit wir mit den Packtieren nicht durch die Stadt müssen, hat uns der Händler eins von den kleinen japanischen Dreiradautos geschickt. Wir haben alles aufgeladen, und Lo Wen ist mitgefahren, um den Handel zu erledigen. Ich habe mir ein wenig Chiengmai angesehen. Ich war lange nicht in der Stadt. Am späten Abend war Lo Wen immer noch nicht zurück. Da bin ich zu dem Händler in Chom Tong gegangen. Der hat es mir erzählt. Die Polizei ist gekommen, als Lo Wen dabei war, die Säcke abzuladen. Polizisten aus Chiengmai. Sie haben ihn mitgenommen und die Last."
    Das Mädchen starrte ihn an. Bansammu nickte müde.
    „Und sie haben nichts weiter gesagt?"
    „Gesagt haben sie, dass sie ihn wegen unerlaubtem Verkauf von Rohopium mitnehmen."
    „Dem Händler haben sie nichts getan?"
    „Nein. Er hat noch gesagt, dass es das erste Mal war seit langer Zeit, dass so etwas geschieht. Überall wird gelegentlich Opium angeboten, meistens kleinere Mengen, aber die Polizei hat sich sonst nie darum gekümmert."
    „Weißt du, wohin sie ihn gebracht haben?"
    „Ins Stadtgefängnis. Ich war dort, aber man ließ mich nicht zu ihm. Ich bin auch zu einem Anwalt gegangen. Der Händler hat es mir geraten. Der Anwalt hat mit den Beamten im Gefängnis gesprochen. Und die haben ihm gesagt, er soll sich die Mühe sparen. Lo Wen wird zur weiteren Untersuchung des Falles nach Bangkok gebracht. Wenn er einen Beistand braucht, wird er ihn dort bekommen."
    Er hob die Hände und drehte die Handflächen nach oben, raue, rissige Handflächen. Er sah Satchanasai an und schloss bedrückt: „So bin ich heimgekommen. Kein Geld, nicht einen einzigen Bäht. Das Opium ist verloren, und niemand weiß, was aus Lo Wen wird."
    Eine Weile saßen sie nebeneinander und überlegten. Was da geschehen war, konnten sie sich nicht erklären. Gewiss, es gab das Verbot des Opiumhandels. Aber warum musste Lo Wen der erste sein, auf den es angewendet wurde? Und warum sollte er nach Bangkok gebracht werden?
    Satchanasai entschied schließlich: „Wir müssen etwas unternehmen. Ich werde meiner Tante schreiben. Vielleicht kann sie herausfinden, wie wir Lo Wen helfen können."
    Bansammu meinte zögernd: „Du willst dich an Vanna wenden? Aber - vielleicht ist es ihr nicht recht?"
    „Sie wird uns helfen."
    Vanna war die jüngste Schwester ihres Vaters. Ihr Leben war ein wenig seltsam verlaufen, Satchanasai wusste nicht viel darüber. Sie hatte ihre Tante ein einziges Mal gesehen, vor einigen Jahren, als Vanna für einige Tage in das Dorf gekommen war. Ihr Mann war dabeigewesen. Und es war wohl der Mann, der Bansammu zweifeln ließ. Vanna war mit einem Amerikaner verheiratet, der sich vor annähernd dreißig Jahren in Thailand niedergelassen hatte. Es hieß, sie habe diesem Amerikaner, als sie selbst noch ein Kind war, das Leben gerettet, damals, während des großen Krieges gegen die Japaner. Aber die Einzelheiten dieser Geschichte kannte Satchanasai nicht. Bansammu gab vor, sie auch nicht genau zu kennen. Satchanasai erinnerte sich nur daran, dass Vanna ihr Hilfe versprochen hatte, für den Fall, dass sie sie einmal brauchen sollte. „Wir sind ziemlich reich", hatte sie gesagt. „Wir haben keine Kinder. Wenn du in Not kommst, erinnere dich an uns."
    Satchanasai hatte von Sinhkat erfahren, dass er die Verwandten gelegentlich besuchte. Schließlich verdankte er ihnen die Vermittlung seines Studienplatzes.
    „Ich werde sofort schreiben", erklärte das Mädchen. Sie lief zum Haus, kletterte geschickt die Leiter hinauf und holte Papier und einen Stift aus einem Kampferholzkasten. Damit kam sie zu Bansammu zurück und ließ sich wieder auf dem Stamm nieder. Sie musste bei jedem Wort nachdenken, denn sie schrieb nicht oft. Gelernt hatte sie es von einem ehemaligen Soldaten, der ins Dorf zurückgekehrt war. Man hatte ihm bei der Armee Lesen und Schreiben beigebracht, und er hatte seine Kenntnisse an einige jüngere Leute im Dorf
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