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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
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dass du dich auf die Suche nach einer Frau gemacht und zwei Frauen gefunden hast. Erzähl mal, Hijo, war deine leibliche Mutter glücklich, dich zu sehen?«
    »Ja, war sie.«
    »Hast du ihr gesagt, dass ich gut für dich gesorgt habe? Dass du eine einigermaßen glückliche Kindheit hattest?«
    »Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht glücklicher hätte sein können.«
    »Wir waren nicht reich.«
    »Das war sie auch nicht. Besser gesagt: Sie ist reich an allem, was wirklich zählt.«
    »Dein Vater wäre sehr stolz auf dich.« Rafa erwiderte nichts. »Ich meine es ernst, mi amor, er fände es ausgesprochen mutig, was du getan hast. Du bist ein Wagnis eingegangen, von dem er dir gewiss abgeraten hätte, aber es hat sich gelohnt.«
    »Er fehlt mir.«
    »Mir auch. Er wäre nicht einverstanden gewesen, dass ich dir den Karton mit den Sachen seines Bruders gab, aber was dabei herausgekommen ist, hätte ihn sicher gefreut. Dass es dir gut geht, dass du weißt, woher du kommst, aber vor allem, dass du nicht vergisst, wohin du gehörst.«
    Rafa verabschiedete sich und zog den kleinen Samtbeutel aus seiner Tasche. Er schüttete den Ring und das Armband in seine Hand. Immerzu hatte er sich gefragt, wer die Frau sein mochte, von der die Sachen waren. Er blickte zum Fenster und sah Marina und Clementine mit Biscuit unter der Zeder. Bei seiner Ankunft hatte er sich entwurzelt gefühlt, als hätte ihm die Wahrheit über seine Geburt den Boden unter den Füßen weggerissen. Jetzt wurde ihm klar, dass diese Wurzeln nie wirklich gekappt waren, denn Maria Carmela und Lorenzo würden immer seine Eltern sein.
    Was sich nun änderte, war seine Zukunft. Auf der Suche nach seiner Mutter hatte er Clementine gefunden, und mit ihr wurde alles anders. Plötzlich sehnte er sich danach, sich zu binden, sesshaft zu werden und eine eigene Familie zu gründen. Für Floriana und Dante hatte es kein Happy End gegeben, aber das konnte es für Clementine und ihn. Er schloss die Finger um den Schmuck.
    Mit Marinas Segen würde er diese Sachen, die Floriana einst so viel bedeutet hatten, Clementine geben.
    Am Abend setzte sich Marina, um sich von Harveys Beutelager abzulenken, mit den Briefen von Costanza und dem angefangenen von Pater Ascanio auf die Bank hinten im Garten. Unter ihr murmelte das Meer leise, und über ihr schien der Mond, der eine silberne Lichtspur auf das Wasser warf – einen Pfad, der zu Jesu Königreich führte. Ja, Er hatte endlich ihre Gebete erhört. Sie zurrte ihren Schal enger um die Schultern und öffnete als Erstes den Brief von Pater Ascanio.
    Im Schein ihrer Taschenlampe las sie die saubere, geschwungene Handschrift.
    Meine liebe Floriana,
    Ich hoffe, wenn dich dieser Brief erreicht, bist du körperlich wohlauf und im Herzen gesundet. Du bist ein sehr mutiges Mädchen, und ich bin überaus stolz auf dich. Die Prüfungen, die dir auferlegt wurden, hast du mit großer Würde und Kraft durchgestanden.
    Ich hätte alles gegeben, damit du in Herba bleiben kannst, wo ich ein väterliches Auge auf dich haben kann, aber wie ich dir im Kloster erklärte, sind dein Leben und das deines Sohnes in ernster Gefahr. Diese Lösung war die einzig mögliche. Beppe Bonfanti ist ein sehr mächtiger Mann, fähig, seine Feinde auf die brutalste Art zum Schweigen zu bringen. Deshalb kann ich leider deine Briefe nicht an Costanza weiterleiten; ihr Vater arbeitet jetzt für Beppe, und es wäre viel zu gefährlich. Keiner darf erfahren, wo du bist.
    Es betrübt mich sehr, dir mitteilen zu müssen, dass Pater Severo, dem ich über fünfzehn Jahre lang vertraute, mein Gespräch mit Dante belauschte und unser Geheimnis an deinen Vater weitertrug. Er hat es reumütig gestanden, und ich hielt es für das Richtige, dass er Herba verließ.
    Glaube mir, mein Kind, wenn ich dir erzähle, dass dein kleiner Junge bei einem sehr liebevollen Paar ist und von einer italienischen Familie im katholischen Glauben aufgezogen wird. Mit deinem Opfer hast du ihm die besten Voraussetzungen ermöglicht. Gott allein weiß, was es dich gekostet hat, und ich bete, dass Er dich trösten möge, während du dich in deinem neuen Heim einrichtest.
    Wie ich hörte, liegt Beach Compton an der Küste. Ich hoffe, du kannst dort neu anfangen. Miss Bridges ist eine freundliche und gottesfürchtige Frau, von der ich gewiss bin, dass sie sich deiner gut annimmt. Du besitzt eine große innere Kraft und einen festen Glauben. Behalte Gott in deinen Gedanken und in deinem Herzen, dann hilft er
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