Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
Vom Netzwerk:
Woche.«
    »Bedaure, wir haben hier keine Mrs Dovecote, und jeder Besucher muss sich eintragen. In den Listen taucht kein Harvey Dovecote auf, und glauben Sie mir, den Namen hätte ich mir sicher gemerkt.«
    Marina beendete das Gespräch perplex. Sie dachte an den schönen Jaguar seines Neffen und bekam Herzklopfen. Bis vor Kurzem hatte er nie etwas von einem Neffen erzählt. Wieso hatte sie vorher nichts von ihm gehört? Und wenn er nicht seine Mutter besuchte, wo war er dann so oft hingefahren? Die Mutter im Pflegeheim war erfunden, was noch? Hatte er womöglich gar keine Mutter mehr? Schließlich war er selbst schon über siebzig.
    Ein schreckliches Bild tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Halb krank vor Sorge eilte sie nach drüben in ihr Büro und durchsuchte die Schreibtischschublade nach dem Schuppenschlüssel. Sie war nicht ganz sicher, ob sie einen Ersatzschlüssel für Harveys Schuppen hatte, denn sie war seit Jahren nicht mehr in der kleinen Holzbude gewesen. Aber er war dort, ordentlich beschriftet zwischen den ganzen anderen Schlüsseln. Marina umklammerte ihn und betete, dass ihre Ängste unbegründet waren. Vielleicht hatte Harvey eine plausible Erklärung für alles. Ohne ein Wort zu irgendjemandem zu sagen, schlich sie sich in den Garten zu Harveys kleinem Schuppen. Er stand hinten im Gemüsegarten, beschattet von einer riesigen Kastanie.
    Mit zitternden Fingern steckte sie den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn.
    Die Tür öffnete sich knarrend, und Licht fiel auf das Sammelsurium von Harveys geheimem Leben. Marina stockte der Atem vor Schreck. Säuberlich aufgestapelt zwischen Erntegarn und Gewebeklebeband waren Schmuck, Gemälde und Silber aus den vornehmen Häusern, die er ausgeraubt hatte. Auf dem Regal an der Wand standen mehrere Bücher von E.W. Hornung über Raffles, den Amateur-Einbrecher.
    Hastig machte Marina die Tür wieder zu und schloss ab. Ihr Herz pochte wie verrückt. Das darf niemand erfahren, sagte sie sich. Ihr wurde übel. Jedenfalls nicht, ehe ich mit Harvey gesprochen habe. Sie steckte den Schlüssel in ihre Tasche und machte sich auf den Weg zurück zum Haus.
    * * *
    Als sie das Telefonläuten hörte, war Maria Carmela sicher, dass es ihr Sohn Rafa war. Sie eilte in die Küche und nahm den Hörer ab. »Hola.«
    »Mamá.«
    »Was hast du für Neuigkeiten? Ich habe seit einer Woche nichts von dir gehört.«
    »Ich habe meine leiblichen Eltern gefunden.«
    Maria Carmela setzte sich. »Du hast sie gefunden? Beide?«
    »Ja. Marina, die Frau, der das Hotel gehört, ist Floriana. Sie verliebte sich damals in einen Mann namens Dante. Sie sind jetzt beide hier.«
    »Geht es dir gut?«
    »Ich bin froh, Mamá. Ich weiß jetzt, woher ich komme, aber ich weiß auch, zu wem ich gehöre.«
    »Ach ja?« Ihre Stimme klang angespannt.
    »Ich gehöre zu dir, Mamá. Das tat ich immer.«
    Maria Carmela wollte das Herz übergehen. »Ich habe mich so gesorgt. Du musst wissen, als Pater Ascanio uns bat, dich aufzunehmen, musste ich es meiner Chefin sagen, Señora Luisa. Und als sie dich unter ihre Fittiche nahm, hatte ich schreckliche Angst, sie würde dich uns ganz wegnehmen, weil sie ja wusste, dass du nicht unser richtiger Sohn warst, und sie war so bezaubert von dir. Dann hast du dich auf die Suche nach deiner leiblichen Mutter gemacht, und wieder fürchtete ich, dass ich dich verliere. Mir war immer klar, dass du uns anvertraut warst, aber eben nicht unser Kind. Deshalb habe ich die ganze Zeit entsetzliche Angst gehabt, dass ich dich eines Tages verliere.«
    »Das ist doch Unsinn! Du bist die Mutter, die mir meinen Gutenachtkuss gab, mir abends Geschichten vorlas und mein Knie verband, als ich von Papas Stute fiel. Du warst die Mutter, zu der ich gelaufen bin, wenn ich unglücklich war, der ich mein Herz ausgeschüttet habe. Du bist die Frau, die mir in jeder Beziehung eine Mutter war. Ich hatte keine andere.« Er konnte deutlich hören, dass sie den Tränen nahe war und nichts sagen konnte.
    »Übrigens, erinnerst du dich noch an das Mädchen, von dem ich dir erzählt habe? Clementine?«
    Sie schniefte und fing sich wieder. »Ja, natürlich, Rafa.«
    »Ich möchte sie gerne mitbringen, damit du sie kennenlernst.«
    »Kommst du nach Hause?«
    »Ja, ich komme nach Hause.« Eine Pause trat ein. Rafa fühlte, wie sehr seine Mutter sich freute, und es war ein gutes Gefühl. »Sie ist unglaublich. Ich weiß, dass du sie auch lieben wirst.«
    »Wenn du sie liebst, liebe ich sie auch. Wie schön,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher