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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten
Autoren: Santa Montefiore
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dir, all dies hinter dir zu lassen.
    Was mich betrifft
    Hier endete der Brief. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie viel Pater Ascanio getan hatte, um sie zu retten. Er hatte ihren Sohn zu seinem eigenen Bruder nach Argentinien geschickt, dem einzigen Menschen, dem er vertraute, anständig für das Kind zu sorgen. Ein besseres Zuhause hätte er nicht für ihn finden können. Und er hatte sein Leben riskiert. Heute erkannte sie auch warum: aus Liebe.
    Sie faltete den Brief wieder und steckte ihn in den Umschlag zurück. Es machte sie traurig, dass Pater Ascanio nicht mehr lebte, denn sie hätte ihm sehr gerne gedankt. Nach einer Weile nahm sie das Bündel mit Costanzas Briefen zur Hand und las sie einen nach dem anderen. Es überraschte sie, wie schmerzlich sie die Freundin vermisste.
    Am nächsten Morgen erschien Harvey im Polzanze. Während Dante mit Grey, Clementine und Rafa im Speisesaal frühstückte, bat Marina ihn in ihr Büro.
    »Ich muss mit dir reden, Harvey«, sagte sie ernst.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich denke, du setzt dich lieber.« Sie nahm in dem Sessel Platz. Ihr alter Freund und Vertrauter, der Mann, der fast wie ein Vater für sie gewesen war, sank auf das Sofa. Sie konnte nicht fassen, dass er zu solchen Lügen fähig war. Nichts wünschte sie sich dringender, als dass alles ein schrecklicher Irrtum war. Sie war bereit, jede Ausrede zu akzeptieren.
    »Ich habe gestern versucht, dich im Pflegeheim anzurufen.«
    Er guckte sie verwundert an.
    »Hast du?«
    »Dort kennen sie keine Mrs Dovecote.«
    »Du musst im falschen Heim angerufen haben.«
    »Nein, Harvey. Ich weiß Bescheid.«
    Er wandte den Blick ab. »Was weißt du?« Doch sie konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass er sehr wohl wusste, was sie meinte.
    »Ich weiß von deinem Schuppen.« Sie senkte die Stimme. »Du bist Baffles, oder Raffles oder wie immer du dich nennst. Harvey, wie konntest du mich belügen?«
    Er sah sie reumütig an. »Ich habe es für dich getan, Marina, für das Polzanze. Als es immer finsterer aussah, musste ich irgendwas tun, irgendwie helfen. Ich weiß, wie viel dir das Hotel bedeutet. Und ich hatte Angst, wenn du es aufgeben musst, verlierst du den Verstand.«
    »Ach, Harvey!«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin wohl ein bisschen übergeschnappt.«
    »Ein bisschen?«
    »Der Jaguar war gebraucht. Ich habe den ganz billig gekriegt.«
    »Hast du überhaupt einen Neffen?«
    Er verneinte stumm.
    »Oder eine Mutter?«
    »Nein, sie ist vor Jahren gestorben.«
    »Aber du kannst dafür ins Gefängnis kommen, Harvey!«
    »Ich wollte es ja auch nur einmal machen. Aber dann war es so leicht. Also habe ich es noch mal probiert … und wieder. Ich gestehe, dass es mir Spaß gemacht hat. Macavity und so, die habe ich alle übertroffen.« Er grinste verschmitzt. »Ich fand’s aufregend, mir vorzustellen, dass ich dich von deinen Sorgen freikaufe. Der alte Harvey, der sich in anderer Leute Häuser schleicht wie James Bond.«
    »Oder Raffles.«
    »Die Bücher mochte ich immer. Am Anfang war es ja auch nur eine Art Spiel.«
    »Nur ist das Spiel zu weit gegangen.«
    Er verzog unglücklich das Gesicht. »Was hast du jetzt vor, Marina?«
    »Ich sollte die Polizei rufen.«
    »Willst du etwa einen alten Zausel wie mich ins Gefängnis sperren lassen? Da komme ich nicht mehr lebend raus, das muss dir doch klar sein.«
    Marina biss die Zähne zusammen. Die Vorstellung, ohne Harvey zu sein, war beklemmend. Sie stand auf und trat ans Fenster, um nachzudenken. Zu vieles hatte sie schon verloren; sie wollte ihn nicht auch noch verlieren. »Ich werde die Polizei nicht informieren, aber unter einer Bedingung.«
    »Welche? Ich tue alles.«
    »Du musst die Sachen zurückgeben.« Er öffnete den Mund, sagte jedoch nichts. »Wenn es so leicht war, schaffst du es auch wieder. Alles muss zurückgebracht werden.«
    »Und was ist mit dem Polzanze?«
    »Ach so, ja, du weißt ja noch nichts.« Sie setzte sich wieder. »Während du weg warst, ist eine Menge passiert. Du meine Güte, wo soll ich anfangen?«

37
    Sylvia saß an ihrem Schreibtisch und blickte gedankenverloren zu dem leeren Platz neben sich. Clementine war am 31. August ins Büro gekommen, um ihre Sachen zu packen und sich zu verabschieden, wie es von Anfang an abgemacht war. Am 1. September kehrte Polly aus dem Mutterschaftsurlaub zurück. Nur dass eigentlich keiner mehr wollte, dass Clementine ging. Sie hatte sich zu einer Spitzensekretärin gemausert – und war Sylvia eine gute
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