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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch
Autoren: Emile Zola
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Seinelauf in Flammen gesetzt. In den Tuilerien, im Staatsrate mußten die Decken eingestürzt sein und den Brand durch ihr Balkenwerk nähren, das sich nun verzehrte, denn das Feuer war hier teilweise wieder ausgebrochen, und jeden Augenblick schlugen Flammen und Funken in die Höhe. Viele Häuser, von denen man geglaubt hatte, sie seien schon ausgebrannt, fingen auf diese Weise wieder an zu brennen. Seit drei Tagen schon wollte es nicht mehr dunkel werden, obwohl die Stadt gar nicht wieder anfing zu brennen; aber es war, als bliese die Finsternis in die roten Brände hinein, fachte sie wieder an und zerstreute sie nach allen vier Himmelsgegenden. Ach, diese Höllenstadt, die von Dunkelwerden an eine ganze Woche lang wieder anfing zu glühen, die mit ihren ungeheuerlichen Fackeln die Nächte dieser Blutwoche erhellte! Und dann die Nacht, als die Docks von la Villette anfingen zu brennen, da wurde die Helligkeit über der Riesenstadt so lebhaft, daß man wirklich hätte glauben sollen, sie sei diesmal an allen vier Ecken angezündet und ginge in den sie überwuchernden Flammen unter. Unendlich hoch wälzten die rotglühenden Stadtviertel die Flut ihrer flammenden Dächer in den blutroten Himmel hinauf.
    »Das ist das Ende,« wiederholte Maurice, »Paris brennt!«
    Er regte sich sehr auf an diesen Worten, die er unendlich oft wiederholte, bei dem fieberhaften Bedürfnis zu sprechen, das er jetzt nach der schweren Schlaftrunkenheit empfand, in der er fast drei Tage lang stumm dagelegen hatte. Aber auf das Geräusch erstickten Weinens drehte er den Kopf um.
    »Was, Schwesterchen, du bist das, bei deiner Tapferkeit! ... Du weinst, weil ich sterben muß...«
    Sie unterbrach ihn und erhob laut Einspruch.
    »Nein, du stirbst nicht!«
    »Doch, doch, es ist auch besser so, es muß sein!.. Ach, geh' doch, an mir ist auch nicht viel Gutes verloren. Vor dem Kriege habe ich dir so viel Kummer gemacht und bin deinem Herzen und deiner Börse so teuer zu stehen gekommen! ... All die Dummheiten, all die Torheiten, die ich begangen habe, die hätten schließlich doch, wer weiß? kein gutes Ende genommen! Das Gefängnis, der Fluß...«
    Abermals schnitt sie ihm heftig das Wort ab.
    »Sei still! Sei still! Das hast du alles wieder gutgemacht!«
    Er schwieg und schien einen Augenblick nachzudenken.
    »Wenn ich tot bin, ja! Vielleicht... Ach, mein alter Jean, du hast uns allen trotzdem einen guten Dienst erwiesen, als du mir dein Bajonett in die Rippen jagtest.«
    Aber auch der erhob mit dicken Tränen in den Augen Einspruch.
    »Sag' das doch nicht! Soll ich mir denn den Schädel an der Wand einrennen?«
    Glühend fuhr Maurice abermals fort:
    »Erinnere dich doch an das, was du mir den Morgen da mach Sedan sagtest, als du behauptetest, es wäre gar nicht so übel, wenn man mal eine ordentliche Ohrfeige kriegte ...Und du setztest noch dazu, daß, wenn irgendwo was faul wäre, wenn man ein verkümmertes Glied hätte, da wäre es besser, man haute es mit der Axt ab und sähe es auf der Erde liegen, als daß man daran wie an der Cholera zugrunde ginge... Ich habe oft an diese Worte gedacht, als ich hier so allein war, in diesem wahnsinnigen, jammervollen Paris eingeschlossen ... Na schön! Ich bin nun das verkümmerte Glied, und du hast es abgehauen!...«
    Seine Erregung wuchs, er hörte gar nicht mehr auf Henriettes und Jeans Flehen, die tief erschrocken waren. Und so ging das bei seiner Fieberglut in anspielungsreichen, scharf treffenden Bildern immer weiter. Der gesund gebliebene Teil Frankreichs war es, der verständige, richtig abwägende, bäurische, der mit der Erde in Berührung geblieben war, der nun den verrückten, verzweifelten, durch das Kaiserreich verdorbenen, durch seine Träumereien und Begierden auf falsche Bahnen geleiteten unterwarf; und man mußte ihm tief ins Fleisch schneiden, ihm sein ganzes Wesen ausreißen, ohne sich darum zu bekümmern, was es ausmache. Aber ein Blutbad war nötig, und von französischem Blut, ein furchtbares, ein lebendes Opfer in reinigendem Feuer. Nun würden sie den Gipfel ihres Leidensweges durch den schrecklichsten aller Todeskämpfe erklimmen, das Volk würde seine Fehler am Kreuze sühnen und dann wieder auferstehen.
    »Mein alter Jean, du bist so schlicht und fest... Geh'! Geh'! Nimm deine Hacke, nimm die Kelle! Geh' wieder auf dein Feld und bau' dein Haus wieder auf!»... Daß du mich niedergeschlagen hast, war wohlgetan, denn ich war das Geschwür an deinen Knochen.«
    So raste er und
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