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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch
Autoren: Emile Zola
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Katakomben durch. Den ganzen Tag über hatten übrigens die Brände vom gestrigen Tage fortgedauert, der Palast des Staatsrates und die Tuilerien brannten, das Finanzministerium stieß mächtige Rauchwirbel aus. Zehnmal hatten sie schon das Fenster gegen die drohende Wolke schwarzer Schmetterlinge schließen müssen, diesen unaufhörlichen Flug verbrannten Papiers, den die Heftigkeit des Feuers in den Himmel emporschleuderte, von wo er als feiner Regen wieder herabfiel; ganz Paris war davon bedeckt, und zwanzig Meilen weit wurde er in der Normandie aufgefunden. Es waren also jetzt nicht allein die Viertel im Westen und Süden, die in Flammen standen, die Häuser der Rue Royale, die an der Kreuzung der Croix Rouge und der Rue Notre-Dame-des-Champs. Der ganze Osten der Stadt stand in Brand; die Riesenglut des Stadthauses schloß den Rundblick wie ein mächtiger Scheiterhaufen ab. Außerdem brannten noch das Theâtre Lyrique, das Amtshaus des vierten Bezirks und mehr als dreißig Häuser des umliegenden Stadtteils wie Fackeln; dabei war das Theater an der Porte Saint-Martin noch gar nicht mitgezählt, im Norden, das ganz für sich wie ein Kohlenmeiler in roter Glut auf dem Grunde der Finsternis dastand. Besondere Rachestreiche wurden verübt; vielleicht verbiß sich verbrecherische Berechnung auf die Vernichtung gewisser Aktenstücke. Es war gar nicht mehr die Rede von Verteidigung oder davon, die siegreichen Truppen durch Feuer aufzuhalten. Nur der Wahnsinn war es, der da entlangbrauste; der Gerichtspalast, das Hotel Dieu und Notre-Dame wurden nur durch einen winzigen Glückszufall gerettet. Zerstören um der Zerstörung willen, die alte faulgewordene Menschheitunter der Asche der ganzen Welt zu begraben in der Hoffnung, es möchte eine neue, glücklichere und reinere Gesellschaft daraus hervorgehen, das wahre irdische Paradies der Ursagen!
    »Ach, der Krieg, der scheußliche Krieg!« sagte Henriette mit halber Stimme angesichts dieser in Trümmern liegenden Stadt, dieser Stadt der Leiden und des Todeskampfes!
    War dies denn nicht wirklich der letzte verhängnisvolle Aufzug, dieser auf den Feldern der Niederlagen von Sedan und Metz emporgekeimte Blutwahn, der durch die Belagerung von Paris erzeugte Zerstörungswahn, diese letzte, äußerste Wendung für ein Volk, das sich inmitten all dieser Metzeleien und Zusammenbrüche in Todesgefahr befand?
    Aber Maurice stotterte langsam und mühevoll, ohne die Augen von den brennenden Vierteln dort unten wegzuwenden:
    »Nein, nein, schmähe den Krieg nicht ... Er ist gut, er tut sein Werk ...«
    Jean unterbrach ihn mit einem Ruf, aus dem Haß und Gewissensangst sprachen.
    »Herrgott nochmal! Wenn ich dich daliegen sehe und es alles meine Schuld ist ... Verteidige ihn nicht, eine Dreckgeschichte ist der Krieg!«
    Der Verwundete machte eine unbestimmte Bewegung.
    »Oh, ich, was liegt denn an mir? Es sind ja noch so viel andere da! ... Und dieser Aderlaß ist am Ende nötig. Der Krieg ist das Leben, das nicht ohne den Tod bestehen kann.«
    Maurices Augen schlossen sich infolge der Ermüdung, die ihn die Anstrengung dieser paar Worte gekostet hatte. Henriette bat Jean durch ein Zeichen, nicht mit ihm zu streiten. Eine mächtige Auflehnung bäumte sich in ihr empor, Zornüber all dies menschliche Leiden, trotzdem sie eine so ruhige, so zarte, mutige Frau mit klaren Augen war, in denen sich die Heldenseele des Großvaters, des Helden aus der Napoleonssage, widerspiegelte.
    Zwei Tage, der Donnerstag und Freitag, vergingen wieder unter der gleichen Feuersbrunst und Metzelei. Der Lärm der Geschütze kam nicht zum Schweigen; die Batterien von Montmartre, deren sich die Versailler bemächtigt hatten, beschossen ununterbrochen die von den Föderierten in Belleville und auf dem Père-Lachaise aufgestellten; und diese letzteren feuerten aufs Geratewohl auf Paris: auf die Rue de Richelieu und den Vendômeplatz waren Granaten gefallen. Am 25. abends war das ganze linke Ufer in den Händen der Truppen. Auf dem rechten Ufer aber hielten sich die Barrikaden auf dem Platze des Chateau d'Eau und dem Bastilleplatze immer noch. Das waren zwei wirkliche, durch ein schreckliches, unaufhörliches Feuer verteidigte Festungen. Als sich in der Dämmerung die letzten Mitglieder der Kommune zerstreuten, nahm Delescluze seinen Rohrstock, ging in ruhigem Spaziergängerschritt bis zu der Barrikade, die den Boulevard Voltaire abschloß, und fiel hier wie ein Held vom Blitze getroffen. Am folgenden Morgen, den
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