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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition)
Autoren: Ralf Schulte
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Zimmer, nehme ich an!“, sagte Maximilian und holte einen Zollstock heraus, dann vermaß er Couch und Tisch. „Wir werden auf den Tisch verzichten müssen!“
„Was?“
„Wir müssen ein wenig umräumen. Nicht viel. Nur ein paar Möbelstücke.“
„Das ist ein Zwei-Zimmer-Apartment! Hier gibt es nur mein Schlafzimmer und diesen Raum. Und der bleibt unverändert.“
Maximilian schlenderte durch das Wohnzimmer. Als er an ihr vorbeistrich, erhaschte sie einen Geruch muffiger Motte und Speck-Pfanne; eine Kombination, die sie bisher für unmöglich gehalten hatte.
Maximilian schlich durch die Wohnung. Ab und zu blieb er an einem Regal stehen, zog ein Buch hervor, überflog den Text auf dem Rücken und drückte es mit einem langen Seufzer zurück. Clara stand im Raum und starrte auf den Brief. Man konnte ihr doch nicht einfach einen Menschen zuteilen. Sie studierte – wie sollte sie ihn ernähren? Das konnte nur ein Fehler sein, bestimmt gab es noch eine andere Clara Januszewski. Vermutlich lebten in dieser Stadt Hunderte mit ihrem Namen: Ärztinnen, Diplom-Biologinnen, Schriftstellerinnen, Frauen von Millionären und viele andere. Die hatten bestimmt Geld. Die konnten sich sogar ein Dutzend Rentner halten.
„Ich denke, dass Sie hier falsch sind. Das muss eine andere Clara Januszewski sein.“
„Sie glauben, die haben einen Fehler gemacht? Die haben mir doch ihre Adresse gegeben. Hier: Fortunaplatz 2. Clara Januszewski.“
Er reichte ihr einen kleinen Zettel, der ihre komplette Anschrift enthielt, selbst ihre Telefonnummer.
„Hören Sie zu“, sagte sie. „Setzen Sie sich, ich rufe jetzt dort an und werde das Missverständnis aus der Welt räumen.“
„Wir dürfen bleiben“, lächelte Maximilian und tätschelte den Kopf seines Hundes.
„Nein! Sie dürfen … warten. Das ist ein Unterschied.“
„Wie Sie meinen. Könnte ich vielleicht in der Zwischenzeit einen Tee haben?“
„Ich hab’ nur Kaffee.“
„Sie sollten gleich als nächstes Tee besorgen. Bei Kaffee bekomme ich Ausschlag und werde unausstehlich.“
„Noch unausstehlicher?“
Doch Maximilian überging ihren Zynismus. Clara schenkte ihm etwas Kaffee in einen Pappbecher und knallte diesen so auf den Tisch, dass sich die Hälfte des heißen Getränks über seine Hand ergoss und er zusammenzuckte. Dem Hund stellte sie eine kleine Schüssel mit Wasser hin, Raumtemperatur.
„Wie heißt der Kleine denn?“
„Hund!“
„Hat er keinen Namen.“
„Den hat er mir nicht verraten. Er ist ein sehr eigenartiger Kerl.“
Der alte Mann entpuppte sich als menschlicher Igel, alles an ihm stach und piekste die Umgebung. Am liebsten hätte sie ihn aus der Tür gerollt oder auf der Autobahn ausgesetzt. Aber wollte sie nicht Ärztin werden? Menschen Gutes tun? Da konnte sie nicht ausflippen, Ärzte verhielten sich ruhig, allwissend standen sie über ihre Mitmenschen, über alles erhaben, weiße Götter. Das gefiel ihr.
Clara ging an ihren Computer, klickte sich durch ein paar Internetseiten und kam kurz darauf mit einer Telefonnummer wieder. Dann schnappte sie das Telefon und wählte die Service-Nummer der Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung.
    „Guten Tag!“, erklang eine freundliche Stimme von Band. „Wir begrüßen Sie bei der Deutschen Rentenversicherung. Bevor ich Sie weiterleite: der Hinweis unseres Sponsoren: Sichern Sie sich Ihre Zukunft mit Privatvorsorge Alter Plus. Die Rentenversicherung wurde unter zweihundert Versicherungen zur Nummer eins gewählt. Wollen Sie mehr dazu wissen, wählen Sie jetzt die Null.“
Kurze Pause.
„Dies war ein Hinweis unseres Sponsoren Alter Plus. Damit wir Sie noch schneller verbinden können, haben Sie jetzt die Möglichkeit, unter folgenden Optionen zu wählen: die Eins für generelle Fragen zur Rentenvorsorge. Die Zwei: für gezielte Fragen zur Rente. Die Drei: für Fragen zur eingezahlten Rentensumme. Die Vier: falls Sie einen Nachbarn oder einen Bekannten wegen unversteuerten Nebeneinkünften anzeigen möchten. Die Fünf: für Bankfragen. Die Sechs: für Fragen zur Witwenrente. Die Sieben: für Fragen zur Kostenübernahme durch Familienmitglieder. Die Acht: für Fragen zur Anrechnungen von zusätzlichen Einkommen. Die Neun: für alle anderen Fragen.
Bitte beachten Sie: Durch wirtschaftliche Unwägbarkeiten, kann es zu einer verspäteten Zahlung ihrer Rente kommen. Wir werden dieses Problem so schnell wie möglich beheben. Bitte rufen Sie nicht an.
Sie haben die Neun gewählt. Der nächste
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