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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor
Autoren: Tom Holt
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Großteil unseres Heers und unserer Flotte entsandten, um Inaros und Amyrtaios, den Königen in den Sumpfgebieten, gegen die Perser zu helfen. Die Beweggründe sind fast genau die gleichen gewesen, nur war damals Persien der Feind. Durch die Einnahme von Ägypten, so wurde seinerzeit argumentiert, würden wir nicht nur die Herren über das reichste Land der Welt werden und die gewaltige ägyptische Flotte unserer eigenen einverleiben, sondern auch die Perser von ihrer wichtigsten Nahrungsquelle abschneiden. Danach brauchten wir nur noch, mit Ägypten als Stützpunkt, in den Osten einfallen, dem Großkönig sein Zepter aus der Hand nehmen und mit diesem unsere wahren Feinde, die Spartaner, in den Staub treten. Die Wirklichkeit sah so aus, daß die gesamte Streitmacht, also sowohl das Heer als auch die Flotte, in der größten Katastrophe, die jemals über die Athener hereingebrochen war, vernichtet wurde.
    Aber das könne man nicht miteinander vergleichen, lautete das Gegenargument. Damals seien wir gegen das gesamte Perserreich angetreten, wohingegen wir nun vorhätten, uns lediglich mit ein oder zwei Städten zu befassen. Damals hätten wir gegen einen Binnenstaat gekämpft, und unsere Flotte sei dabei von keinem großen Nutzen gewesen, wohingegen wir heute nur gegen eine Insel auslaufen würden. Damals seien unsere einzigen Verbündeten zwei räuberische Oberhäupter und unser Feind das bestorganisierte Regierungssystem gewesen, das die Welt je gesehen habe, wohingegen wir heute reiche und zuverlässige Verbündete in dem Land hätten, in das wir eindringen wollten, und unsere Gegner sich in einem wirklichen Bürgerkriegszustand befänden. Damals habe für die Perser das gesamte Menschenpotential Asiens auf Abruf bereitgestanden, wohingegen heute die Sizilianer keineswegs darauf hoffen könnten, von unseren Feinden Unterstützung zu erhalten, da jeder wisse, daß die Spartaner niemals außerhalb Griechenlands in den Krieg ziehen würden. Genaugenommen dienten die oberflächlichen Vergleiche zwischen der Katastrophe in Ägypten und dem Sizilienprojekt lediglich dazu, unsere wunderbaren Erfolgsaussichten zu betonen.
    Und so weiter, Tag für Tag, wo immer sich zwei Athener begegneten. Denn wir Athener haben mit Vorliebe etwas, worauf wir uns freuen und worüber wir diskutieren können; und da sich alle so gern über Sizilien unterhielten, schlossen sie das Vorhaben selbst regelrecht ins Herz. Wie ich bereits erzählt habe, hatten wir alle seit Kriegsende hart daran gearbeitet, unsere Felder und Weingärten wieder ertragreich zu machen, was in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden darf und durchaus ein Teil davon war. Athener mögen es nämlich, in kurzen Schüben hart zu arbeiten, doch die Aussicht, an ein und derselben Sache womöglich für den Rest ihres Lebens hart arbeiten zu müssen, erfüllt sie mit Trübsal und Schwermut, und mit der Zeit fühlen sie sich wie Sklaven auf dem eigenen Land. Auf der anderen Seite war bereits alles erledigt, was nutzbringend getan werden konnte – Weinstöcke, Oliven- und Feigenbäume waren gepflanzt, und es würde Jahre dauern, bevor man die Früchte seiner Arbeit genießen könnte. Was die Athener sich jetzt wünschten, war irgendein neues Vorhaben, vorzugsweise von unbegrenztem Ausmaß – etwas, das sie unvollendet an ihre Enkel weiterreichen konnten.
    Vor allem war es meiner Meinung nach die vollkommene Sicherheit des Unternehmens, die sie sosehr begeisterte. Denn selbst wenn wir den Krieg verloren hätten, was hätte uns das schaden können? Schließlich war es kaum wahrscheinlich, daß die Syrakuser an Bord ihrer Schiffe springen und uns verfolgen würden; und selbst dann, hätten wir zu unserem Schutz immer noch die Stadtmauern gehabt. Es gab keine Macht auf Erden, die in der Lage gewesen wäre, die Stadt zu erstürmen, und solange wir die Flotte besaßen, könnte uns keine Belagerung durch Aushungern daraus vertreiben. Was die Kosten des Krieges betrifft – war uns nicht versichert worden, daß Segesta und Catina und alle diese fetten, reichen Verbündeten in Sizilien die ganze Sache freiwillig bezahlen wollten? Waren nicht unsere Männer in diesen Städten gewesen und dort in Privathäusern als Gäste empfangen worden, und hatten sie nicht gesehen, daß jedes Gefäß, von der Mischschale bis zum Nachttopf, aus massivem Silber gefertigt war? Hatte man ihnen nicht die Böden der Tempelschatzkammern gezeigt, knietief mit Vierdrachmenstücken bedeckt?
    Das Problem
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