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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch
Autoren: Kathinka Wantula
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drückte die Stopp-Taste. Dann hörte er sich die Nachricht noch mal an. Und noch mal. Und noch mal. Dunkel erinnerte er sich allmählich an das Gesicht eines sechzehnjährigen Schwarzen, der vor vier Jahren aufgrund seiner Aussage freigesprochen wurde. Er erinnerte sich nicht mehr an dessen Namen, aber den würde er herausfinden können. Wenn er wollte.
    Mansfield hatte plötzlich einen trockenen Mund und öffnete das Handschuhfach, um eine kleine Plastikflasche mit Mineralwasser herauszuholen. Er trank sie bis zur Hälfte leer und schraubte geistesabwesend den Deckel wieder darauf.
    Damals war es reiner Zufall gewesen, dass er den wahren Mörder gefunden hatte. Zufall?
    Er betastete die Narbe an seinem linken Ohr. Sie war allmählich verheilt, aber sein Bein machte ihm noch immer zu schaffen. Es würde wohl noch einige Tage dauern, bis er wieder arbeiten konnte. Und weiterarbeiten wollte er auf jeden Fall. Er würde zu Tom und den anderen Kollegen zurückkehren. Doch vorher würde er mit Karen die freien Tage genießen. Er hatte das Gefühl, sie in letzter Zeit vernachlässigt zu haben, und wollte das Versäumte nachholen.
    Da sah er Karen die rote Ziegelsteintreppe herunterkommen. Achtlos warf er die Plastikflasche auf den Rücksitz und wartete, bis sie neben ihm saß.
    »Na, was hat er gesagt?«
    Sie drehte den Kopf zu ihm um. »Küss mich.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Michael, bitte!«
    Er grinste und tat ihr den Gefallen. »War es so schlimm?«
    Er ließ den Motor an und war im Begriff loszufahren, als sie seinen Kopf in ihre Hände nahm und ihn zärtlich dreimal, viermal auf den Mund küsste. Michaels Hand, die eigentlich den Hebel des Automatikgetriebes einstellen wollte, fand ihren Weg zu Karens Wange und ihren Haaren.
    »Ist mit dir alles in Ordnung, Darling? Der Besuch bei Julius scheint dir nicht gutgetan zu haben.«
    Karen strich vorsichtig über Michaels Kopfwunde und fuhr liebevoll durch seine kurzen braunen Haare. Dann küsste sie ihn auf die Stirn und schaute in seine haselnussbraunen Augen.
    »Doch. Es ist alles in Ordnung, Michael. Bitte bring mich jetzt von hier weg.«
    »Sofort, Darling. Wenn du mich lässt.«

67
    New York
    Einige Tage später begegneten sich Karen, Tom und Alicia zum ersten Mal wieder im Hause der Winslows auf Long Island, in das Michaels Vorgesetzter alle Kollegen zu einer gemütlichen Feier eingeladen hatte. Für sein dreißigjähriges Dienstjubiläum hatte er ein Büfett aufbauen lassen und es wurden bei Sekt und Bier viele alte Geschichten erzählt, die alle zum Lachen brachten.
    Karen kannte diese Feiern von Michaels Kollegen schon, doch sie fühlte sich manchmal noch ein bisschen fremd unter den Amerikanern. Sie hatte sich im letzten halben Jahr noch nicht ganz an New York und die Leute gewöhnen können, aber sie versuchte es, wann immer es ging, und begleitete Michael gern zu diesen Feiern. Doch sie ahnte nicht, dass es diesmal nur ein kurzer Besuch werden würde.
    Sie war gerade am Büfett und hatte sich ein Stück Catfish auf einen kleinen Teller gelegt, als Tom Davidson plötzlich neben ihr stand.
    »Hi, Karen. Na, war deine Reise nach Griechenland erfolgreich?«
    Karen erstarrte für einen kurzen Moment, als sie seine Stimme neben sich hörte, doch dann nahm sie eine Gabel in die Hand und spießte eine kleine Gewürzgurke auf, die auf dem Tablett neben dem Fisch lag.
    »Hi, Tom«, erwiderte sie kühl, ohne sich zu ihm umzudrehen. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf das Büfett gerichtet.
    Vor einer Sekunde noch hatte Davidson sie bewundert, wie schön sie in dem smaragdgrünen Etuikleid aussah, das ihre Augenfarbe und Ausstrahlung noch betonte, aber ihre kurze Antwort zeigte ihm, dass er bei ihr keinen leichten Stand haben würde. Er hatte sich bisher noch nie mit ihr angelegt und war deswegen über ihre Kälte überrascht. Aber was hatte er anderes erwartet? Dass sie ihn in den Arm nimmt und ihm alles mit einem Lächeln verzeiht?
    Er fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Es tut mir leid, was geschehen ist. Wirklich. Ich entschuldige mich dafür.«
    Ihre Gabel fand ein kleines Hackfleischbällchen, das sie mit den Zacken regelrecht durchschlug und gleich halbierte.
    »Wenn du denkst, dass es damit für mich erledigt ist, hast du dich getäuscht. Ich bin noch lange nicht mit dir fertig.«
    Ein zweites Hackfleischbällchen musste dran glauben und landete halbiert auf ihrem Teller.
    Davidson hatte sie noch nie so kühl und abweisend erlebt, aber
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