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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch
Autoren: Kathinka Wantula
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stehen, bis Alicia bei ihr war.
    »Doch, das hat er. Und ich danke dir für den Brief. Entschuldige bitte. Ich weiß, dass du hier für mich gekämpft hast, aber …«
    »Aber ich habe nicht gewonnen, und du bist sauer, weil es dir nicht weitergeholfen hat.«
    »Nein. Dein Bruder hat trotzdem gegen meine Interessen gehandelt.«
    »Ich weiß nicht, ob du damit Recht hast.«
    »Im Nachhinein kann man das immer sagen. Aber was wäre geschehen, wenn es Michael kurzfristig schlechter gegangen wäre? Ich hätte es mir niemals verziehen, in Griechenland zu sein, während er hier in New York auf der Intensivstation liegt und stirbt.«
    »Ich weiß. Und Tom weiß das auch. Er hätte es sich auch niemals verziehen, wenn es so gekommen wäre, glaub mir. Ich war auch nicht dafür, dass er dir die E-Mails und SMS in Michaels Namen schrieb.«
    »Und warum hast du mich dann nicht sofort angerufen und mir alles erklärt? Damit hast du Tom doch unterstützt.«
    »Ich wollte dich anrufen, aber Tom hat mich schließlich überzeugt, dass es besser sei, wenn du nichts wüsstest. Es hätte nichts gebracht, wenn du sofort nach New York gekommen wärst. Michael war nicht bei Bewusstsein.«
    »Und außerdem warst du ja bei ihm. Er brauchte mich ja nicht.«
    »Karen, bitte. Du weißt, dass die Sache zwischen mir und Michael vorbei ist. Ich … ich mag ihn zwar, aber immerhin habe ich die Beziehung beendet, nicht er. Und aus gutem Grund, wie man sieht. Andauernd sind er und Tom in Lebensgefahr, das halte ich nicht mehr länger durch. Ich werde New York verlassen. Vielleicht geh ich nach Chicago oder Los Angeles.«
    Karen war über diese Nachricht leicht schockiert. Diese neue Situation verdrängte sogar den Ärger über den Streit mit Alicias Bruder vor ein paar Minuten. »Hast du schon mit Tom darüber gesprochen?«, fragte sie, während sie langsam weitergingen.
    »Nein. Er würde nur versuchen, mich zu überreden, in New York zu bleiben, aber ich habe mich entschieden. Ich weiß nur noch nicht, wohin ich gehen werde. Ganz an die Westküste oder nur bis nach Chicago. Vielleicht auch Boston. Ich weiß es noch nicht.«
    Karen nickte gedankenverloren. Einerseits war sie froh, dass Alicia dann nicht mehr in Michaels Nähe sein würde, andererseits verlor sie eine gute Freundin in New York.
    »Du wirst mir fehlen«, gestand sie mit einem wehmütigen Lächeln und umarmte Alicia, die Karen ebenfalls fest an sich drückte.
    »Du mir auch, aber es ist ja noch ein bisschen hin. Erst mal muss ich woanders einen neuen Job kriegen. Ich habe einige Bewerbungen losgeschickt. Mal sehen, wer sich meldet. Dann entscheidet sich auch, in welcher Stadt ich lande.«
    Sie lösten sich voneinander, aber Karen hielt Alicia noch am rechten Arm fest, als wollte sie sie nicht gehen lassen. »Hoffentlich nicht Los Angeles. Das ist zu weit weg. Dann doch lieber Chicago oder Boston.«
    Alicia freute sich, dass Karen so reagierte. Sie hatte befürchtet, dass ihre Freundschaft mehr unter ihrem Verhalten leiden würde, doch sie konnte immer wieder feststellen, dass Karen niemand war, der anderen lange böse war.
    »Wir werden sehen. Willst du wirklich nicht noch mal zu Winslow mit reinkommen? Die anderen haben noch einige Sketche vorbereitet. Es wird bestimmt ein lustiger Abend.«
    Doch da bog schon eines der gelben Cabs um die Straßenecke, und Karen winkte das Taxi zu sich heran.
    »Nein, tut mir leid, aber mir ist nicht mehr nach Feiern zumute. Ich fahre nach Hause. Entschuldige mich bitte bei Michael und den Winslows, ja?«
    Alicia nickte. »Gut, wie du willst. Sehen wir uns morgen Mittag bei Sarabeth’s zum Brunch?«
    »Ja, gern. Bye.«
    »Bye.« Alicia winkte noch kurz, als der Wagen losfuhr, doch als er um die Straßenecke verschwunden war, drehte sie sich um und schlenderte zu dem Haus zurück, aus dem an diesem Abend die lauteste Musik erscholl.
    Eine halbe Stunde später gab Karen dem Taxifahrer ein Zeichen, dass er sie hier an der West 69th Street schon rauslassen könne, weil sie den Rest des Weges zu Fuß gehen wolle. Sie bezahlte ihn und stieg dann aus dem Wagen, der sich schnell wieder in den laufenden Verkehr einfädelte. Karen sah dem Taxi gedankenverloren hinterher, als es wenige Sekunden später in dem Blechmeer der tosenden Stadt verschwand.
    »New York. The City that never sleeps«, ging Frank Sinatras Stimme ihr durch den Kopf, während sie sich umdrehte und langsam an den kleinen Straßenläden vorbeiging. Die meisten waren geschlossen, nur bei
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