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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch
Autoren: Kathinka Wantula
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sein sollen?«
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wippte leicht hin und her, während seine hellen Augen Karen fixierten. Hatte sie seine wahren Gründe etwa durchschaut? »Hast du genug Material bekommen, um ein gutes Buch über Delphi schreiben zu können, meine Liebe?«
    »Ich denke schon. Mein Laptop ist randvoll mit Notizen. Apropos Laptop, jemand ist in Delphi in meine Hütte eingebrochen und hat meinen alten Laptop zerstört. Ich musste mir einen neuen kaufen. Bezahlst du ihn mir?«
    Julius setzte sich auf einmal gerade hin. »Du bist überfallen worden? Ist dir etwas passiert?«
    »Nein, zum Glück nicht. Nikos Eliadis, ein Grieche, hat mir geholfen.«
    »Ah.« Julius entspannte sich und lehnte sich wieder zurück. »Gut. Natürlich ersetze ich dir den Laptop. Hattest du denn die Daten vorher gesichert?«
    »Ja. Ich trage immer einen USB-Stick mit meinen wichtigsten Dateien bei mir.«
    Julius nickte zufrieden. »Sehr gut.«
    »Ich habe dir übrigens etwas mitgebracht.«
    Karen griff nach ihrer Handtasche und holte einen schmalen hohen Pappkarton hervor, den sie Julius überreichte.
    »Ein Geschenk? Für mich?«
    »Es ist nur eine Kleinigkeit. Ich dachte, er würde gut auf deinen Schreibtisch passen.«
    Julius musste lächeln, als er den Karton öffnete und einen kleinen marmornen Dreifuß in Händen hielt.
    »Ein Dreifuß aus Delphi? Das ist wirklich perfekt.« Er stellte ihn neben den ägyptischen Skarabäus auf seinen Schreibtisch und beugte sich dann über die Tischplatte zu Karen hinüber.
    »Vielen Dank. Er ist sehr schön.« Er reichte ihr die Hand und zog sie zu sich, um ihr einen Kuss auf die linke Wange zu geben. Sie spürte, wie erleichtert er war, dass sie heil und gesund wieder bei ihm im Büro war. Auch sie war froh, alles gut überstanden zu haben, und freute sich auf die Arbeit, die vor ihr lag. Sie löste sich von Julius und deutete auf ihre Handtasche, in der sie den USB-Datenspeicher hatte.
    »Ich werde demnächst mit dem Manuskript beginnen. Willst du dir die Unterlagen vorher anschauen, oder soll ich einfach loslegen?«
    »Nimm sie ruhig mit. Ich werde dann das Manuskript lesen, wenn du fertig bist.«
    »So wie immer?«
    »So wie immer.«
    »Okay.« Sie stand auf und verabschiedete sich mit einer Umarmung von ihrem Patenonkel. »Ich fliege mit Michael morgen nach New York, aber du hast ja meine Telefonnummer und meine E-Mail-Adresse, falls etwas sein sollte.«
    »Natürlich, meine Liebe. Viel Spaß. Und grüß Michael von mir.«
    »Gern. Tschüss.« Sie winkte ihm fröhlich zu, während sie zur Tür ging und dann das alte Büro verließ.
    Julius setzte sich mit einem zufriedenen Lächeln auf seinen Lehnstuhl und betrachtete seufzend den marmornen Dreifuß auf seinem Schreibtisch.
    »Du hast Recht gehabt, Pythia. Du hast tatsächlich Recht gehabt …«
    Vor Reinholds alter Backsteinvilla saß Mansfield in einem silbernen BMW und wartete auf Karen. Sie hatte allein zu Julius gehen wollen, was er zwar bedauerte, da er ihn gern mal wiedergesehen hätte, aber er respektierte ihren Wunsch und hörte stattdessen die Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter in New York ab. Es waren nicht viele Telefonate aufgezeichnet. Dreimal hatte Mansfield senior angerufen, der ihm von den sensationellen Verträgen mit den Indern erzählen wollte, was Michael nur mit einem bitteren Lächeln quittierte. Doch dann folgte ein Anruf mit einer Stimme, die er wohl nie wieder vergessen würde.
    »Hallo, Mansfield. Ich hoffe, Sie haben sich inzwischen von dem kleinen Ausflug an Pier 76 erholt. Sie werden sich fragen, warum ich Sie an dem Tag nicht umgelegt habe. Glauben Sie mir, ich war kurz davor. Sie waren schrecklich renitent und unerträglich. Aber Sie haben vor vier Jahren meinem kleinen Bruder aus der Patsche geholfen. Man hatte ihn wegen Diebstahl und Mord angeklagt, aber er war unschuldig. Alles sprach gegen ihn, und die beknackten Geschworenen waren bereit, ihn über die Klinge springen zu lassen, doch Sie hatten in der Zwischenzeit den wahren Mörder erwischt, und mein kleiner Bruder kam frei.
    An dem Abend am Pier habe ich unsere alte Familien-schuld beglichen. Ab jetzt sind wir quitt. Sollten Sie mir aber nochmals in die Quere kommen, lege ich Sie um. Das schwöre ich Ihnen.
    Allmählich werden Sie wissen, wer ich bin, aber das macht nichts. Ich gehe trotzdem davon aus, dass Sie diese Nachricht auf dem Anrufbeantworter löschen werden. Gebe Gott, dass wir uns nie wiedersehen, Mansfield.«
    Michael
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