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Der Zeitsprung

Der Zeitsprung

Titel: Der Zeitsprung
Autoren: Inka Loreen Minden
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Jahren, die ihm mit seinen Eltern geblieben waren. Einerseits wollte er jetzt aufwachen, andererseits sehnte er sich danach, dem Wesen zu begegnen, dem er sein Leben verdankte.
    Alles lief nun in abgehackten Bildern ab. Die zwei vermummten Gestalten, die plötzlich in die Gasse getreten waren und ihre Pistolen auf sie gerichtet hatten …
    »Geben Sie mir die Pläne«, sagte der Mann, der vor ihnen stand. Er war groß, trug Mantel und Hut. Sein Gesicht war hinter einem vorgebundenen Krawattentuch verborgen. Nur die dunklen Augen waren zu erkennen. Der Lauf seiner Waffe befand sich wenige Zentimeter vor Vaters Brust.
    Vater drückte Mutter und ihn hinter sich, aber dort stand der andere Mann. David war zwischen seinen Eltern eingeklemmt und hatte schreckliche Angst. Zitternd hielt er sich an Mutters Hand fest. Ihre Augen waren aufgerissen, ihr Kinn zitterte.
    »Thomas …«, wisperte sie.
    Vater gab seine Aufzeichnungen – es war ein in rotes Leder gebundenes Buch – ohne zu zögern heraus, trotzdem schoss der Mann. Der Laut knallte von den Hauswänden, Davids Ohren klingelten. Die Zeit schien stillzustehen.
    David hörte Mutter einen Schrei ausstoßen, Vater krümmte sich, stöhnte und murmelte: »Ignis per aera«.
    Ein blaues Licht, das von Vaters Hand ausging, ließ gespenstische Schatten auf den Hauswänden tanzen. Trotz aller Warnungen der Magiergilde hatte er in der Öffentlichkeit gezaubert – um seine Familie zu beschützen. David erkannte seine Silhouette von hinten, bevor er die Lichtkugel auf den Mann warf. Sie setzte den Mantel des Angreifers in Brand. Schreiend verschwand er in der Nacht und mit ihm das Buch.
    Vater drehte sich um, einen neuen Energieball in der Hand, und bedrohte damit den anderen Mann.
    »Lassen Sie meine Familie in Frieden. Sie haben doch, was Sie wollten!« Er riss Mutter und ihn zur Seite, ein rotes Rinnsal lief aus seinem Mund. Röchelnd schnappte er nach Luft. »Lauft!« Vater konnte sich kaum auf den Beinen halten. Blut tropfte auf den Boden. Er war am Bauch getroffen!
    Davids Beine waren schwer wie Blei und Mutter wimmerte. Sie stand mit dem Rücken zu Vater und hielt David im Arm. Dabei wisperte sie einen lateinischen Spruch, einen Schutzzauber, der allerdings nicht zu wirken schien. David spürte nichts. Mit bebender Stimme setzte er in den leisen Singsang ein.
    Der Vermummte schien zu überlegen, ob er rennen oder schießen sollte. Seine riesengroßen Augen waren abwechselnd auf Vater oder Mutter und ihn gerichtet, die Hand mit der Waffe zitterte.
    Schließlich hatte er geschossen. Erst auf Vater, dessen halbes Gesicht weggerissen wurde, danach auf Mutter. In den Rücken. Als sie stürzte, begrub sie David mitsamt den Stoffmassen ihres Kleides unter sich. Sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gepresst.
    »Mutter«, wisperte er, doch sie bewegte sich nicht. Er konnte kaum Atem holen, schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Und er hatte Angst. Unendlich große Angst.
    Seine Eltern – sie waren tot. Tot! Die Erkenntnis sickerte langsam in sein gelähmtes Gehirn.
    Sein Herz hämmerte, er japste nach Luft, roch Mutters dezentes Parfüm, spürte ihre Körperwärme. Sie rührte sich nicht, ihr Atem schlug nicht gegen seine Wange. Ihre Augen waren halb geöffnet. Sie starrte ihn an, als hätte sie ihn vor ihrem Tod noch ein letztes Mal sehen wollen.
    Ein Paar schwarzer Schuhe tauchte neben seinem Kopf auf und David spürte den Lauf der Waffe an seiner Stirn, die Hand des Mörders zitterte stark. Sein Gesicht konnte er nicht erblicken.
    »Was seid ihr für Freaks?« Die Stimme klang schrill. »Steht ihr mit dem Teufel im Bunde?«
    Für einige Menschen waren sie gewiss Freaks, wie sie auf Jahrmärkten vorgeführt wurden. Bald aber nicht mehr. David hatte Angst vor einem qualvollen Tod, trotzdem fürchtete er ihn als solches nicht. Lediglich die Schmerzen. Er war schon immer neugierig gewesen, ob es danach irgendwie weiterging. Außerdem wollte er seinen Eltern nachfolgen, da er nicht wusste, wie er ohne sie weiterleben sollte.
    Er machte sich bereit, kniff die Lider zusammen, weinte und hoffte, dass Granny lebte. Was, wenn diese Kerle bereits bei ihnen im Haus gewesen waren?
    David verfluchte sich, dass er so wenig Zaubertalent hatte. Da er kein reinrassiger Magier war, besaß er keine ausgeprägten Fähigkeiten. Er hatte es immer wieder versucht, um ein so großartiger Mann wie sein Vater zu werden, es jedoch irgendwann nicht mehr so verbissen gesehen und sich auf die
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