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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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Das gesamte Mittelalter hindurch wurden Tageseinteilung und Lebensrhythmus der Menschen durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen durch den natürlichen Tagesverlauf: Morgendämmerung, lichter Tag, Abenddämmerung, Nacht. Zum anderen durch bestimmte, rhythmisch wiederkehrende, von der Kirche festgesetzte Zeitabschnitte, die so genannten kanonischen Stunden, auch Horen genannt. Dies waren festgesetzte Zeiten, zu denen von den Mitgliedern der verschiedenen Mönchsorden jeweils bestimmte gottesdienstliche Handlungen verrichtet wurden. Dabei orientierte man sich an der alten, von den Römern übernommenen Einteilung des Tages in Stunden. Diese Einteilung teilte, im Gegensatz zu heute, den Tag jedoch nicht in vierundzwanzig gleiche Zeitabschnitte ein; vielmehr maß man die Zeit in zwölf Tages- und zwölf Nachteinheiten. Beginnend mit Sonnenaufgang, zählte man zwölf Tagesstunden bis Sonnenuntergang und zwölf Nachtstunden von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Infolgedessen variierte die Länge der Stunden je nach Jahreszeit und Gegend (Breitengrad) erheblich. So waren im Sommer die Tagesstunden länger, die Nachtstunden kürzer, im Winter war es umgekehrt.
    Zum besseren Verständnis der in diesem Roman geschilderten Tagesabläufe und genannten Zeitbegriffe folgt daher hier im Anschluss eine Gegenüberstellung der klösterlichen Horen mit den heute gebräuchlichen Tagesstunden. Dabei handelt es sich um einen Tagesablauf, wie er in der Gegend, in der dieser Roman spielt, während des Sommers üblich gewesen sein dürfte. Es gibt verschiedene Quellen mit unterschiedlichen Tagesstunden-Angaben, die von den nachstehend genannten durchaus etwas abweichen können (siehe u. a. „Alltag im Spätmittelalter“, hrsg. von Harry Kühnel, Verlag INGENIEUM, GmbH & Co. KG, Graz)
Matutin ( Mette , Vigilien )
=
frühmorgens, etwa 2.00 Uhr Nachtgottesdienst
Laudes ; Morgengebet
=
morgens, etwa zwischen 4.30 und 5.00 Uhr
Prim ; erste Tagesstunde
=
etwa gegen 6.00 Uhr
Terz ; dritte Tagesstunde
=
gegen 9.00 Uhr
Sext ; sechste Tagesstunde
=
etwa 12.00 Uhr (Mittag)
Non ; neunte Tagesstunde
=
gegen 15.00 Uhr
Vesper ; Abendgebet
=
etwa gegen 18.00 bis 19.00 Uhr
Komplet ; Nachtgebet
=
etwa gegen 20.30 bis 21.00 Uhr,danach Schlafenszeit

PROLOG
    Die Steiermark, Mittwoch/Donnerstag, 21. und 22. Juni im Jahr des Herrn 1385
    Auf samtenen Pfoten schlich die Dämmerung heran; Beute witternd wie ein Raubtier. Der Tag floh. Erste Wolken begannen im Westen heraufzuziehen, begleitet von einer frischen Brise. Als leichter Hauch strich sie über die dunklen Wälder hinweg, streichelte sanft das Wipfelmeer und entlockte ihm ein leises Rauschen.
    Regen kündigte sich an.
    Abendliche Kühle strich auch über die erhitzten Gesichter der vier Männer, die sich verbissen den Berg hinaufquälten.
    „Verdammt, Luchs, warte, nicht so schnell!“
    „Ja, verflucht, mach langsamer. Diese Eile bringt einen ja um. Wir brauchen unsere Kräfte noch für später.“
    „Randolph hat Recht, Luchs. Wie sollen wir den ganzen Rest noch schaffen, wenn uns jetzt schon die Zunge zum Hals heraushängt?“
    Die Rufe der drei Männer, die laut maulend ihrem Unmut Luft machten, galten dem vierten, der ihnen voranstieg und das Tempo vorgab. Seiner Kletterkünste und seiner geschmeidigen Behändigkeit wegen nannten sie ihn stets nur den „Luchs“. Immer größer war der Abstand zwischen ihm und ihnen geworden; nur mühsam vermochten sie ihm noch zu folgen.
    Jetzt wandte er sich erbost nach ihnen um.
    „Haltet endlich das Maul, ihr Memmen. Ich sagte doch, bevor’s dunkel wird, müssen wir oben sein. Sonst können wir das Ganze vergessen. Bis zum Ziel sind’s schließlich noch mal verdammte zwei Stunden. Dass es kein Spaziergang wird, habt ihr bereits gewusst, bevor wir von Rieden aufgebrochen sind. Also, reißt euch verflucht noch mal zusammen und hört auf zu jammern.“
    Das Murren verstummte. Was der Luchs sagte, war richtig. Dass der Auftrag, den sie zu erfüllen hatten, seine Tücken haben würde, war ihnen im Voraus bekannt gewesen. Ebenso, dass der Berg, den sie nun zu bezwingen hatten, den schwierigsten Teil der Strecke ausmachte. Doch erst, wenn sie seine Kuppe erklommen hatten, konnten sie sich wähnen, bald am Ziel zu sein. Dann erst würde sie ein kaum begangener, abschüssiger Pfad auf der anderen Seite den dicht bewaldeten Hang wieder nach unten führen.
    Hinunter in die Abgeschiedenheit des Tales, das die Hütte barg. Die Hütte, in der der Köhler wohnte.
    Dabei
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