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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter
Autoren: James A. Owen
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begegnet sind.«
    »Die Welt ist voller Überraschungen«, sagte Duk. »Erzähl weiter, Ham.«
    Hammurabi, der nicht sicher war, ob er glauben sollte, was er da hörte, fuhr mit seiner Geschichte fort. »Ich habe Harold, der damals ›H‹ hieß, und einen Bekannten von ihm namens Juda an einem Ort abgeholt, der sich Melong- Gletscher nennt und sich auf der Grenze zwischen Nepal und Tibet befindet. Wir machten uns aus dem Staub, bevor sich der Protest der einheimischen Dorfbewohner in einen ausgewachsenen Aufstand verwandelte. Wir flogen ruhig dahin und unterhielten uns über Religion, als das Flugzeug eine Funktionsstörung erlitt…«
    »Also wirklich, Hammurabi«, sagte Duk tadelnd, »es ist nicht nett, vor dem Buddha zu lügen.«
    »Ich bin in einen Berg geflogen«, sagte Ham und ließ die Schultern hängen. »H und ich stritten uns über die chinesische Annexion Tibets und ob sie dem Russland-Afghanistan-Konflikt ähneln würde. Meine Aufmerksamkeit schweifte ab – was einem mitten in einem sechstausend Meter hohen Gebirgszug teuer zu stehen kommen kann. Der erste Aufprall riss einen Flügel ab und wenige Minuten später verloren wir den zweiten. Der Flugzeugrumpf stürzte auf ein Schneefeld und glitt einige Sekunden lang darüber hinweg, bevor er über die Kante hinaus in den Abgrund segelte. Es gelang mir, Juda und H zu packen, und mit dem einzigen Fallschirm an Bord stürzten wir uns alle zur Tür hinaus.«
    »Ein Held«, sagte Bragi.
    »Ein Idiot«, sagte Fischmehl. »Welcher Pilot hat nur einen Fallschirm?«
    »Ein Pilot, der normalerweise Frachttransporte fliegt«, entgegnete Ham Fischmehl und dieser wurde rot. »Darf ich fortfahren?«
    »Der Aufprall war hart und wir verfingen uns in dem Fallschirm, aber wir überlebten ohne größere Verletzungen. Da uns nichts anderes übrig blieb, versuchten wir, uns zu Fuß durchzuschlagen. Nachdem wir einige Tage ohne größere Zwischenfälle gewandert waren – abgesehen von H, der sich bei dem Versuch, eine Ziege zu fangen, einen Knöchel brach –, kamen wir zu einem heiligen Schrein. Wir waren uns ein wenig uneinig darüber, wie wir weiter vorgehen sollten: Als Moslem umrundet man religiöse Monumente von links, H hielt den Schrein jedoch für buddhistischen Ursprungs und wollte ihn deshalb von rechts umrunden.«
    »Interessant«, sagte Duk. »Wie habt ihr das Problem gelöst?«
    »H schlug vor, dass jeder von uns in seine jeweilige Richtung gehen sollte, allerdings auf demütige Weise – rückwärts.«
    »Ah«, sagte Duk. »Ihr frechen Schlingel! Ihr habt ein Mandala gebildet.«
    »Ja«, sagte Ham. »Das Mandala – ein Offenbarungsmuster – brachte eine alte Frau zum Vorschein, eine Bettlerin wie es schien, die uns aufforderte, ihr zum nächsten Monument zu folgen. Das war ein Felsen mit einem Fußabdruck auf der Oberseite, vermutlich dort hinterlassen vom…«
    »Schuldig gemäß der Anklage«, sagte Duk. »Die Steine mit einem Fußabdruck des Buddhas werden shapje genannt.«
    »Ich nenne das ein Wunder – als H darauf trat, verheilte sein gebrochener Fuß. Und noch etwas geschah: Unter dem Felsbrocken wurde eine Treppe sichtbar – der Eingang zu jenem Ort, den die Frau Meru nannte. Wir folgten ihr ins Innere des großen Berges, der Kailas hieß. Mehrere Stunden lang wanderten wir durch die von Talglichtern beleuchtete Dunkelheit. Schließlich kamen wir zu einer großen Höhle, wo A und die anderen zwölf Wesen, denen wir begegneten, lebten und arbeiteten.«
    »Die Ankoriten«, flüsterte Fisch atemlos. »Du bist tatsächlich den Ankoriten begegnet.«
    Ham nickte. »Unter ihnen«, sagte er zu Duk, »befand sich unser gemeinsamer Bekannter Melvin. Sie waren gastfreundlich, stritten sich jedoch ein wenig darüber, ob wir bleiben durften. Juda war ganz versessen darauf. Allerdings war H der Einzige, an dem sie ernsthaft interessiert waren. Ich für meinen Teil war mit dem Ganzen etwas überfordert – riesige Skelette, ungewöhnliche Fische und…«
    »… die Bibliothek«, schloss Duk.
    »Ja«, sagte Ham. »Sie beschlossen, uns einen Blick auf den Ort werfen zu lassen, um dessentwillen Meru eigentlich erschaffen worden war – die Bibliothek des Himmels. Der hinter einer riesigen Tür verborgene Raum war unglaublich groß und weder sein Boden noch seine Decke waren auszumachen. An den Wänden reihten sich Bücher: Millionen und Abermillionen…«
    Er hielt inne und starrte in die Wolken vor sich, dann fuhr er fort. »Ich war überwältigt. Ich ergriff die
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