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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herr Hellersen.«
    »Muß das sein?«
    »Sie können auch stehen.« Vandura kam um seinen Schreibtisch herum. Er war einen Kopf größer als Hellersen. Auf Frauen wirkte er in seinem weißen Kittel betörend, Hellersen rümpfte nur die Nase.
    »Ist Katja, ich meine, ist meine Frau krank?«
    »Ja und nein.«
    »Das ist keine klare Diagnose. Was hat sie?«
    »Um Ihnen das zu erklären, habe ich Sie zu einer Aussprache hergebeten. Man kann das nicht in wenigen Worten sagen. Grippe, Ischias, Rheuma, Krampfadern, Bronchitis, Hypertonie, Ikterus, Migräne – das sind alles Begriffe, die für eine Krankheit stehen. Bei Ihrer Frau gibt es keinen festen Begriff.«
    »Also nichts Klares?«
    »Ganz klar, Herr Hellersen.« Dr. Vandura hielt eine lederne Schachtel mit Zigaretten hin. Hellersen dankte durch ein Kopfschütteln. Er spürte, wie in ihm das Gefühl für Gefahr aufkam. Er kannte das, ein angeborenes Mißtrauen, das ihn oft schon gerettet hatte. Eine Art Antenne, die ihm die Gefahr signalisierte. »Wissen Sie, warum Ihre Frau bei mir war?«
    »Nein. Das habe ich mich auch gefragt. Sie war nie krank …«
    »Ihre Frau stand unter der Einwirkung eines Schocks …«
    »Wirklich?« sagte Hellersen. Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln.
    »An der linken Halsbeuge Ihrer Frau befand sich ein großes Hämatom. Dort hatte sie ein schwerer Aschenbecher getroffen, den Sie gegen den Kopf Ihrer Frau geschleudert hatten.«
    »Was Sie nicht sagen, Doktor …!« Hellersen bekam einen roten Kopf. So ein Miststück, dachte er. Rennt zum Arzt und pfeift alles aus. Läßt sich vielleicht noch ein Attest ausstellen. ›Es wird bescheinigt, daß Frau Katja Hellersen mißhandelt worden ist …‹ Nicht mit mir, Herr Doktor, nicht mit Bruno! Es ist noch keinem gelungen, mich aufs Kreuz zu legen – die Medizin wird es auch nicht schaffen! Und schon gar nicht mit solch einem Quatsch!
    »Ich habe Ihre Frau beruhigt und nach Hause gebracht.«
    »Das war ausgesprochen nett von Ihnen. Was schulde ich Ihnen? Einschließlich Wegegeld natürlich. Kilometer fünfzig Pfennig, einverstanden? Liegt über dem Beamtentarif …«
    Dr. Vandura überhörte diese Beleidigungen. Er hatte genau einen solchen Menschen erwartet, wie er jetzt vor ihm stand. Feist, glatzköpfig, ein rundes Gesicht, das gutmütig wirkte, wenn man die Augen übersah. Diese Augen waren hellblau, fast farblos, und von einer unheimlichen Kälte.
    »Wie alt sind Sie?« fragte Vandura.
    »Fünfzig. Meine Frau ist dreißig! Kommen Sie jetzt nicht mit einem Vortrag, daß zwanzig Jahre ein zu großer Altersunterschied sind. Daß wir Männer dann alte Raunzer sind, während das Püppchen in der Frau nie aufhört. Aber das wird ja auch nicht Ihr Thema sein. Was hat Katja Ihnen erzählt?«
    »Alles. Darum habe ich Sie zu mir gebeten. Sie sollen Vertrauen zu mir haben. Ich weiß, man kann das nicht befehlen, aber ich möchte, daß wir miteinander aber alle Probleme sprechen. Ihrer Frau zuliebe. Sie lieben doch Ihre Frau?«
    »Was geht das Sie an?« brüllte Hellersen zurück. »Sind Sie Arzt oder Bettenschnüffler?«
    »Ich will helfen, weiter nichts. Ihre Frau geht seelisch zugrunde – haben Sie das nicht bemerkt? Der Schock gestern war ein Anfang … ein Warnsignal. Noch haben wir – und das Wir sind Sie und ich – die Möglichkeit, sie zu retten. Wissen Sie, daß sie sich mit den Gedanken an einen Selbstmord trägt?«
    »Das hat sie gesagt?« Bruno Hellersen kniff die Augen zusammen.
    »Ja.«
    »Sie sollten als Arzt ehrliche Absichten von Hysterie unterscheiden. Ich weiß nicht, was meine Frau Ihnen von mir erzählt hat – ich will es auch gar nicht wissen – aber bevor Sie psychoanalytisch werden, will ich Ihnen sagen, wie der Hase übers Feld läuft! Zu gut geht es ihr, jawohl, viel zu gut! Keine Sorgen, alle Wünsche werden erfüllt, die besten modernsten Kleider und Schuhe, für jede Pore einen Edelstein, keine Pflichten, keine Kinder – ja, das ist es, keine Kinder! Die fehlen ihr! Sechs Stück, damit sie ausgelastet ist. Aber was macht sie – sie schluckt die Pille! Bloß keine Kinder, bloß keine Falte in ihren schönen Bauch! Da wird man hysterisch, Herr Doktor – da sieht man Aschenbecher fliegen, und dabei ist's nur ein Schmetterling!«
    Dr. Vandura schwieg. Welch ein widerlicher Feigling bist du doch, dachte er. Ein Artist, der mit Gemeinheiten jongliert. Eine Frau wie Katja sollte man vor dir schützen – aber ich bin nur ein Arzt, ich kann nur raten und sonst
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