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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tatenlos zusehen, wie ein Mensch wie Katja vernichtet wird.
    Bruno Hellersen senkte den Blick. Die Augen Vanduras klagten ihn an, und er verstand dieses stumme Duell. Mit dem Finger fuhr er in seinen Kragen und zog ihn vom schwitzenden Hals.
    »Wir sollten uns näher kennenlernen«, sagte Vandura sehr ruhig. »Miteinander sprechen, leidenschaftslos, logisch, ehrlich.«
    »Werfen Sie mir vor, daß ich lüge?« fuhr Hellersen auf. »Ebensogut könnte ich sagen: Meine Frau hat Ihnen einen dicken Bären aufgebunden. Sie gehört in psychiatrische Behandlung …«
    »Dahin wird sie kommen, wenn wir beide uns nicht verständigen.«
    »Wir – uns?« Bruno grinste. »Sie sind Arzt. Blasen Sie meiner Frau das Hirn frei – dann bin ich Ihnen dankbar«, sagte Bruno jovial.
    »Und Sie stellen die nächtlichen Quälereien ein …«
    »Quälereien …?« wiederholte Hellersen mit schief geneigtem Kopf. Er atmete hastiger, pfeifend.
    »Vor drei Nächten drückten Sie eine Zigarre auf dem Leib Ihrer Frau aus.«
    »Das … das hat sie Ihnen erzählt?« sagte Hellersen dumpf. »So etwas erzählt sie …«
    »Ihrem Arzt! Wem sollte sie es sonst erzählen?«
    »Und Sie glauben nun, mir mit tremulierender Stimme ins Gewissen reden zu können?! Knie nieder, Sohn, und bereue! Und Sie erwarten, daß ich dieses dämliche Spiel mitspiele? Daß Sie, ausgerechnet Sie mir sagen können, wie ich mich in der Ehe zu benehmen habe? Wie ich meine Frau liebe … Doktor, meine Zeit ist zu wertvoll, um sie mit solchen Dummheiten zu verplempern!«
    Hellersen ging zur Tür und atmete röchelnd. Sein Kopf glühte. Er bezwang sich mit aller Kraft, um nicht weiter ausfällig zu werden. »Ich verbiete Ihnen, sich um meine Angelegenheiten, besonders um meine Ehe zu kümmern. Und ich werde Katja verbieten, noch einmal zu Ihnen zu kommen! Kümmern Sie sich um Ihre verkalkten Affen!«
    Das sollte ein letzter Hieb sein, in die Magengrube, umwerfend. Aber Dr. Vandura lächelte nur.
    »Sie sind mit Dr. Zemmitz bekannt?« fragte er.
    Hellersen holte tief Luft. »Warum?«
    »›Verkalkte Affen‹ ist für mich eine vertraute Vokabel.«
    »Adieu!« brüllte Hellersen.
    »Ihr Herz!« Vandura hob die rechte Hand. Wie angewurzelt blieb Hellersen stehen. »Ihr Blutdruck ist mindestens 230! Sie sollten etwas dagegen tun!«
    »Dr. Zemmitz behandelt mich!« bellte Hellersen giftig. »Und er spritzt mir kein Gas in die Adern.«
    »Leider. Er sollte von Ihnen mal eine Venographie machen.« Dr. Vandura kam ein paar Schritte näher. »Sollten wir nicht doch einmal miteinander sprechen? Ohne Leidenschaften? Ihrer Frau zuliebe?«
    »Nein!« Hellersen riß die Tür auf. »Wir haben uns nichts mehr zu sagen, Doktor! Es ist für mich, als hätte ich Sie nie gesehen!«
    Er warf die Tür zu.
    Sekunden später knallte die Haustür ins Schloß.
    Vandura griff zum Telefon und rief Katja Hellersen an. Sie wartete neben dem Telefon und hob sofort ab.
    »Er war da?«
    »Ja. Ein Fehlschlag, gnädige Frau.« Vandura gab es unumwunden zu. Er war ehrlich genug, zu gestehen, von Anfang an diese Niederlage erwartet zu haben.
    »Und was soll ich jetzt tun?« Ganz klein, rührend kindlich klang Katjas Stimme im Telefon. »Ich habe Angst –«
    »Verreisen Sie. Wenn Ihr Mann zurückkommt, sollten Sie bereits aus dem Hause sein. Vertrauen Sie sich einem Rechtsanwalt an. Haben Sie keinen Anwalt im Bekanntenkreis?«
    »Fünf! Alles Freunde von Bruno … Und wo soll ich hin?«
    »In ein Hotel zunächst. Ihr Mann ist in einer Verfassung, daß ich fast versucht bin, die Polizei anzurufen und Sie unter Polizeischutz zu stellen.«
    »Um Gottes willen, bloß das nicht! Mir wird schon etwas einfallen.« Ihre Stimme klang gehetzt. »Vielen Dank, Doktor. Vielen Dank!«
    Sie legte auf. Vandura betrachtete nachdenklich den Hörer. Ein merkwürdiges Gefühl glomm in ihm auf – Mitleid, Sorge und etwas, das er selbst nur Sympathie nennen wollte.
    Wenn es mehr war, wurde es gefährlich.
    Vandura ließ den Hörer fallen, ging zu einem Wandschrank und schenkte sich einen Cognac ein. Aber das Bild Katja Hellersens konnte er damit nicht ertränken.
    »Wo ist sie?« brüllte Bruno Hellersen und rannte durch sein Haus. »Katja! Wo bist du? Komm her! Verdammt, komm her! Ich finde dich doch! Es hat keinen Sinn, sich zu verstecken!«
    Er lief von Zimmer zu Zimmer, vom Keller bis zum Trockenboden, blickte im Park hinter jeden Busch, rannte die Mauer entlang, hetzte zurück in Katjas Schlafzimmer, riß alle Kleider aus den
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