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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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aussetzt, dauert es nicht lange, bis es wiederkommt. Ein großer Mann mit kleinen Händen, denkt Maria jedes Mal, wenn sie Walters Vater im Lehnstuhl beim Schlafen zusieht, wie die Hände gefaltet auf seinem Bauch liegen, wie der Kopf nach hinten kippt, der Mund sich öffnet. Die Zeitung hat Walters Vater kurz vor dem Einschlafen zur Seite gelegt. Auf den Boden geworfen, sagt Walters Mutter, wenn sie die Zeitung später aufhebt, hast du schon wieder die Zeitung auf den Boden geworfen, ganz zerknittert ist sie. Und nimm die Brille ab, du verbiegst sie nur, das ist nicht gut.
    Wenn Walters Vater frei hat und nicht beim Zeitunglesen einschläft, schaut er nach den Obstbäumen, er geht ums Haus, er schaut in Obstbaumkronen, er schüttelt den Kopf, wenn etwas nicht nach seiner Zufriedenheit verläuft. Im Wald begutachtet Walters Vater die Bäume anders als im Garten, im Wald fällt er Bäume, nachdem der Förster sie zum Fällen freigegeben hat. Es ist immer viel zu tun, sagt Walters Vater, bevor ihm im Lehnstuhl die Augen zufallen. An freien Tagen arbeitet er im Wald, an Tagen, an denen er zur Arbeit fährt, im Werk. An manchen Tagen zeigt Walters Vater Teile, die er im Werk gebastelt oder die er aus dem Werk mitgenommen hat, einen Kerzenständer, einen Holzspalter, ein Geländer. Walters Vater hat einen starken Händedruck, wie ihn die Männer in der Gegend haben. Maria zog ihre Hand schnell weg, als der Schwiegervater ihr zum ersten Mal die Hand schüttelte. Ein guter Händedruck muss fest sein, sagte Walter. Aber doch nicht so, dass man Schmerzen hat, sagte Maria. Doch, sagte Walter, nur dann ist ein Händedruck ernst gemeint. Seither nimmt Maria ihre Ringe ab, bevor sie dem Schwiegervater die Hand schüttelt, heimlich und so, dass es niemand bemerkt.
    Maria wischt über die Arbeitsplatte, und Walter runzelt die Stirn. Die Wunde über der Augenbraue ist noch nicht verheilt, denkt Maria, als sie ihn ansieht. Walter war vor einigen Tagen mit einem Pflaster auf dem Kopf aus der Arbeit gekommen, Maria hat vergessen, wobei er sich verletzt hatte, aber Walter kommt oft mit kleinen Verletzungen aus der Arbeit. Das kann man sich nicht alles merken, denkt Maria und möchte die Stille in der Küche durchbrechen. Aber besser nicht, denkt sie, und Walters Mutter greift nach einem Taschentuch, sie holt es aus ihrem Kittel, die großen Taschen sind ausgebeult, weil Walters Mutter ihre Hände darin verschwinden lässt, wenn sie keine Arbeit verrichten. Zwei Jahre, wir wollten zwei Monate bleiben, denkt Maria, wir haben den Mietvertrag schon unterschrieben. Bis zur Brust reicht Walters Mutter ihrem Sohn, sie sagt: Du musst wissen, was du machst, und Walter sieht Maria an, die eine Haarsträhne um ihren Finger wickelt. Walter sagt: Mutti, wir haben doch schon darüber gesprochen. Auf dem Küchentisch liegt eine Packung Streichhölzer, Maria nimmt eines aus der Schachtel, zündet es an, sieht der Flamme beim Verlöschen zu. Zündelst du, würde Walters Mutter unter normalen Umständen sagen, sie schaut kurz böse. Ich werde zuerst den Kasten im Schlafzimmer einräumen, denkt Maria, Walter soll einstweilen die Kisten mit dem Hausrat in die Wohnung tragen, wir werden in unserem Bett schlafen, ohne Eltern nebenan, wir werden zu zweit frühstücken, wir werden es warm haben. Maria hat so weit zur Arbeit, sagt Walter, weißt du. Du doch auch, sagt Maria, du fährst genauso weit, und Walter schweigt. Es ist gefährlich, jeden Tag so lange mit dem Auto zu fahren, sagt Maria, Mutti, du möchtest doch nicht, dass uns etwas zustößt, wir kommen jedes Wochenende zu Besuch. Wir brauchen den Platz, eure Enkel werden viel Platz brauchen. Wie sollen wir hier Kinder bekommen, sagt Walter und nimmt Maria in den Arm. Dazu braucht man nicht viel Platz, sagt Walters Mutter und schaut Maria lange an.
    Habt ihr die Taschen schon ins Auto getragen, fragt Walters Vater, als er vom Wohnzimmer in die Küche kommt. Er streckt sich und berührt dabei mit den Händen die Oberkante des Türstocks. Möchtest du uns helfen, fragt Maria, und Walters Mutter sagt: Er soll doch seinen Rücken schonen. Ich bin kein alter Mann, sagt Walters Vater und verlässt die Küche, er öffnet die Haustür, er ruft: Wollen wir, Walter, komm, wo bleibst du. Es dauert nicht lange, bis die Taschen im Auto verstaut sind, der Kofferraum ist so voll, dass Walters Vater den Kofferraumdeckel zwei Mal kräftig zuschlagen muss, bis er einrastet und Walter den Kofferraum absperren kann. Siehst
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