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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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Limonade treibt auf und ab, gelb ist er, wie die Bluse, die Maria trägt, mit dem Unterschied, dass die Abschlüsse von Marias Bluse weiß eingesäumt sind. Maria beißt an ihrem Strohhalm, wenn sie trinkt, sie hört zu, sie lacht, wenn die anderen lachen, auch wenn sie nicht verstanden hat, was sie sagen, weil die Musik laut ist. Als Michaela und Tanja kommen, rutschen alle zur Seite, die Bierbank kippt, Achtung, sagt einer und hält sich an Maria fest. Müsstest nicht du mich halten, müsstest nicht du mich mit deinen Armen auffangen, denkt Maria, aber sie sagt nichts, sie lacht. Kennen wir uns, fragt er. Nein, sagt Maria, wir kennen uns nicht. Das weiß ich doch, sagt er und steht auf, er sagt: Ich hole noch eine Runde, für dich eine Limonade, oder hast du es dir anders überlegt.
    Maria geht zur Toilette, wo die Frauen Schlange stehen und die Männer schnell an ihnen vorübergehen. Es wird dunkel vor dem Zelt, in dem sich die Lichtverhältnisse nicht ändern. Maria wartet und beobachtet die Frauen, die aus den Toilettenkabinen kommen. Manche waschen ihre Hände, ohne in den Spiegel zu sehen, manche gehen an den Waschbecken vorbei, manche kommen von den Spiegeln nicht los. Die eine Kabine wird niemals leer. Maria überprüft, ob sie die Tür auch tatsächlich versperrt hat, als sie über der Toilette steht. Maria setzt sich nicht auf fremde Toilettenbrillen, die Toilettentür ist versperrt, alles in Ordnung, denkt sie und ärgert sich wenig später, dass das Toilettenpapier aufgebraucht ist. Als sie aus der Kabine kommt, ist sie allein im Vorraum, wo sind alle hin, denkt sie und zieht vor dem Spiegel den Lippenstift nach. Maria wischt mit ihrem Zeigefinger unter den Augen entlang, du siehst nicht müde aus, du bist nicht müde, das wird ein schöner Abend. Als sie zurück ins Bierzelt kommt, sitzt Michaela auf ihrem Platz, sie lacht, und der eine neben ihr lacht, und Maria fährt durch ihre Haare, als sie auf der Bierbank ganz außen neben Tanja Platz nimmt. Tanja spricht mit dem einen neben sich, und Maria greift über den Tisch zu ihrer Limonade, der Strohhalm ist blau. Tanja hat eine neue Dauerwelle, denkt Maria, wo warst du, möchte sie fragen, wie viel hast du bezahlt, war es teuer, aber Tanja unterhält sich, und wer sich unterhält, soll nicht gestört werden.
Vergossenen Wein, den trinkt keiner mehr, ein verlorenes Herz bleibt für immer leer, es ist nie zu spät, komm, entscheide dich, reich ihr die Hand, Tränen lügen nicht
. Tanja hakt sich bei Maria unter, alle schunkeln und lachen, und Maria spürt Tanjas Körper neben sich, sie lacht, wenn sie mit Tanja zusammenstößt, sie sieht dem einen ihr gegenüber in die Augen, der zuvor noch anderswo gesessen ist, der den Platz gewechselt hat, der jetzt hier sitzt. Ich habe alle Namen vergessen, denkt Maria, wie immer habe ich alle Namen vergessen, sie kommen viel zu schnell, als dass ich sie mir merken könnte, ein schönes Lied, wie heißt dieses Lied. Der eine Maria gegenüber zündet eine Zigarette an, er hält ihr die Packung hin, sie zieht eine Zigarette heraus und beugt sich über die Kerze zwischen ihnen. Jetzt wird ein Seemann sterben, sagt er, er sagt: Zigaretten und Limonade, darfst du schon rauchen. Ja, sagt Maria, ich bin siebzehn, und ich trinke Bier erst nach einundzwanzig Uhr. Siebzehn, sagt er, ich bin siebenundzwanzig, wie heißt du, fragt er, ich bin Walter. Walter trägt Schnurrbart, seine Haare bedecken den Nacken, die oberen Knöpfe seines Hemdes hat er nicht geschlossen, ein goldenes Kreuz liegt auf seiner Brust. Eduard hat keine Brusthaare, denkt Maria, Eduard raucht nicht, Eduard ist ein Idiot. Neben mir der Platz ist leer, da wünsch ich mir Maria her, sagt Walter, und Maria lacht, wechselt die Seite.
    Ich bin Automechaniker, erzählt Walter, ich arbeite in einer Werkstatt, gleich in der Nähe, ich arbeite hier, aber ich lebe nicht hier. Wo wohnst du, fragt Maria, und Walter sagt etwas von außerhalb, weil es im Moment nicht anders ginge, weil das Geld nicht reiche, oder doch, das Geld würde reichen, aber er möchte sparen, er möchte sparen auf ein Haus, auf eine Wohnung, er möchte sparen, bis die Richtige kommt. Und wer weiß, sagt Walter und schaut Maria an, ein gerader Blick, das rechte Auge ein wenig kleiner als das linke. Er ist betrunken, denkt sie, aber das ist gut, ein betrunkener Mann ist ein guter Mann, aber nur, solange er die Kontrolle nicht verliert und sich am nächsten Tag an den Abend zuvor erinnern kann. Spielen
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