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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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bekommen, die löse ich ein, ich schenke denen nichts. Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt etwas schenken, sagt Walter, und dann: Zwei Bier, bitte.

9 Kronkorkenaugen
    Meine Nase ist sechs Zentimeter lang, mein Daumen sieben. Das könnte ich zur Begrüßung sagen. Ich könnte sagen: Haben Sie Ihre Körperteile schon vermessen. Und sie würde verschreckt schauen, vielleicht würde sie sagen: Entschuldigung, das habe ich nicht. Es sieht kälter aus, als es ist, denkt Maria, als sie die Haustür öffnet und die ersten Schritte im Freien geht. Ich mag diese Frau nicht, hat sie zuvor gesagt, als sie beim Frühstück gesessen ist. Walter ist im Bad gestanden, er hat sein Gesicht gewaschen, er hat seine Zähne geputzt, er hat gesagt: Du kennst sie nicht. Ich habe sie beim Vorstellen gesehen, sie lacht zu viel. Maria, hat Walter gesagt, wie spät ist es, was, so spät, ich muss los. Maria setzt ihre Schritte vorsichtig, als sie zum Bus geht, der sie in die Arbeit bringt. Gefährlich ist es dort, wo der Asphalt harmlos aussieht, dort wo kein Schnee liegt, nur eine dünne Schicht Eis am Boden ist. Achtung, ich muss aufpassen, denkt Maria, wenn sie an eine solche Stelle kommt.
    Bei der Bushaltestelle vergräbt Maria ihre Hände in den Manteltaschen, sie senkt ihren Kopf, sodass ihr Mund hinter dem Schal verschwindet. Der Bus kommt nicht, sagt ein Mann neben ihr, ich warte schon seit dreiundzwanzig Minuten. Als ob wir in einer Schneekugel eingesperrt sind, sagt eine Frau, die im Pelzmantel neben dem Mann steht. Ein Schneechaos haben sie gemeldet, es ist mit erheblichen Behinderungen zu rechnen, ganze Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten, das haben wir davon, vom Jammern, dass wir zu wenig Schnee haben. Auf der Schulter der Frau verrutscht der Henkel ihrer Einkaufstasche, als sie ihre Arme beim Erzählen zu sehr bewegt. Es ist eine dieser dunkelblauen Taschen aus Nylon, wie sie vorwiegend ältere Menschen zum Einkaufen benützen. Da kommt er ja, sagt der Mann, und Maria lässt die beiden zuerst einsteigen. Der Boden ist matschig, die Fenster sind beschlagen.
    Guten Morgen, sagt Herr Willert, als Maria die Boutique betritt, und blickt auf seine Uhr. Der Schnee, sagt Maria und zieht im Aufenthaltsraum ihren Mantel aus, legt die Handschuhe auf die Heizung, fädelt den Schal durch die Ärmel, hängt den Mantel auf. Als Maria ihre Haare vor dem Spiegel richtet, sieht sie hinter sich die Neue. Guten Morgen, sagt sie, ich bin Martha. Maria, sagt Maria, ich heiße Maria, herzlich willkommen. Dass Sie es bei diesem Wetter pünktlich geschafft haben, wohnen Sie in der Nähe, fragt Maria. Ja, sagt Martha, vier Straßen Richtung Bahnhof, ich habe nicht weit, und ich konnte nicht schlafen, ich war aufgeregt. Pünktlichkeit ist eine Tugend, das sagt Herr Willert, wenn wir zu spät kommen. Es ist besser, nicht zu spät zu kommen, flüstert Maria. Martha lächelt, und Maria fragt, ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen, das macht man hier so, außer Herrn Willert, den duzt nur Isolde, weil sie ihn bereits als Kind kannte. Haben Sie einander schon vorgestellt, fragt Herr Willert, als er den Raum betritt. Frau Martha wird uns dienstags, mittwochs und donnerstags verstärken. Hier steht die Kaffeemaschine, wer Kaffee trinkt, macht einen Strich auf der Liste, abgerechnet wird am Ende des Monats. Alles andere habe ich Ihnen schon erklärt, sollten Sie Hilfe benötigen, fragen Sie. Ein Narr ist, wer nie gefragt hat, wie ging dieses Sprichwort. Wer fragt, ist ein Narr für eine Minute, wer nicht fragt, ist ein Narr sein Leben lang, sagt Maria. Richtig, sehr richtig, sagt Herr Willert und rückt seine Brille zurecht. Wie Sie sehen, wir sind ein familiäres Unternehmen, in dem wir gut aufeinander aufpassen. Frau Maria arbeitet seit einem Jahr bei uns, sie kennt sich besonders gut mit Stoffen aus. Frau Isolde kommt erst morgen, sie hat heute ihren freien Tag, sie ist die gute Seele, die alles zusammenhält. Und dann sind da noch Frau Waltraud und unser Lehrmädchen Ulrike, Sie werden alle bald kennenlernen. Haben Sie Haustiere, fragt Herr Willert, und Maria wundert sich, dass er so viel spricht. Nein, sagt Martha, aber ich hätte gern eine Katze, wir sind vor kurzem in die Stadt gezogen, wir müssen uns erst einleben. Sie sind verheiratet, fragt Herr Willert. Martha schüttelt den Kopf. Manchmal ist es besser, bei den Tieren zu bleiben, als zu den Kindern zu wechseln, sagt Herr Willert und lacht, ich scherze, das merken Sie doch, ich bin
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