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Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)

Titel: Der Weg des Falken (Literatur-Literatur) (German Edition)
Autoren: Jamil Ahmad
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Wasser lassen könnten, bevor sie das Dorf erreichten. Afzal Khan blieb stehen, und die Frauen zogen sich hinter einen Felsen zurück. Afzal Khan seinerseits legte sein Gewehr ab, knüpfte seine sackartige Hose auf und hockte sich, zur anderen Seite gewandt, ebenfalls zum Wasserlassen hin. Dann nahm er ein paar Kieselsteinchen und trocknete damit die letzten Tropfen Urin ab, bevor er seine voluminöse Hose wieder zuband.
    Während er darauf wartete, dass die Frauen wieder hervorkamen, dachte Afzal Khan voll Zuneigung an sie. Beide hatten die Strapazen in bewunderungswürdiger Weise erduldet, und ohne ein Wort der Klage. Shah Zarina hatte ihn wirklich überrascht. Sie war jung und wirkte zart, und dass sie die Wanderung so gut ertragen hatte, bewies ganz zweifelsfrei, dass sie von guter Rasse war und dass sie den Mut, die innere Stärke und die Ausdauer besaß, die eine Frau anziehend machen. Er war kurzzeitig versucht, sie für sich zu behalten, verwarf aber sogleich diesen närrischen Gedanken. Wenn er erst einmal anfing, sich so verantwortungslos zu verhalten, würde er womöglich unversehens als armer Schlucker enden. Schließlich gab es Mohmands, die besser aussahen als er und dennoch dazu verdammt waren, ihr Leben lang in großen Städten wie Peshawar und Karachi tagaus, tagein Brennholz zu hacken.
    Die Frauen stießen nach einer Weile zu ihm, und sie machten sich wieder auf den Weg. Dies war ihr dritter Tag auf der Straße. Vom grünen und dicht bewaldeten Land Swat waren sie zur Hochebene von Malakand mit ihren künstlich bewässerten Obstgärten und Feldern hinabgestiegen. Von da an war es ein unaufhaltsames Fortschreiten in die Ödnis gewesen. Felder, Ackerbau, Vegetation hatten schon vor Kilometern aufgehört, und jetzt war das Land trostlos, heiß und staubig. Es sah aus wie das Ende der Welt – kleine trockene Hügel, auf denen hier und da Büschel von derbem Gras sprossen, enge Schluchten, die das Gelände zerfurchten und vom wütenden Durchzug der sintflutartigen Überschwemmungen zeugten, die alljährlich mit der Regenzeit kamen. Afzal Khan kannte das Land gut. »Du kannst ihn überall absetzen«, behaupteten seine Freunde, »ihm die Augen verbinden, und trotzdem führt er dich nach dem Geruch der Luft und dem Gefühl des Bodens unter den Füßen ans Ziel.«
    Wie Afzal Khan vorhergesagt hatte, erschien, kaum dass sie die letzte Anhöhe erreichten, das Dorf Mian Mandi, in die Mulde zwischen den Hügeln geschmiegt. Es machte nicht allzu viel her – eine Ansammlung von aneinandergedrängten Hütten, kleiner als die in wohlhabenderen Dörfern. An einer Seite des Dorfes gab es einen Teich, der die Sonne wie einen Spiegel reflektierte, und aus einer Hütte, die danebenstand, quoll dicker schwarzer Rauch.
    »Das muss der
kabab
-Laden sein«, bemerkte Sherakai, die ältere der beiden Frauen, an niemand Besonderen gewandt. Die drei brauchten nicht allzu lang, um das Dorf unten im Tal zu erreichen. Afzal Khan führte die Frauen direkt zu dem Laden, wo er sie aufforderte, sich auf eine Holzbank zu setzen, die unter einem Vordach aus Schilf und Gras stand.
    Der Eigentümer saß mit gekreuzten Beinen neben einer großen Pfanne, eifrig damit beschäftigt, verbrannte Hackfleischkrümel von deren Rand abzukratzen, während das Öl vor sich hin brutzelte. Dünne Rauchfäden kräuselten sich aus der Pfanne und reicherten den Duft von verbranntem Tierfett noch weiter an. Als Afzal Kahn auf ihn zukam, sah der Mann auf.
    »Zwei
sers kabab
und dazu frischgebackenes Brot«, bestellte Afzal Khan. »Mach alles fertig, während ich mein Nachmittagsgebet verrichten gehe. Und lass den Frauen Wasser bringen, sie möchten sich bestimmt den Staub abwaschen.«
    Nachdem er diese Anweisungen erteilt hatte, wandte sich Afzal Khan ab und ging zum Teich, der die Hauptwasserquelle für dieses Gebiet darstellte. Er setzte sich ans Ufer, entfernte mit einem Stock ein paar Schauminseln, die auf der Oberfläche schwammen, und begann, sich Arme, Gesicht und Füße sorgfältig zu waschen.
    Sobald er sein Gebet beendet hatte und zum
kabab
-Laden zurückgekehrt war, trug ihnen ein Knabe, dessen Gang und Aussehen vermuten ließen, dass er dem Eigentümer auch nachts zu Diensten war, Teller mit Essen und einen Krug Wasser auf. Er machte Afzal Khan schöne Augen und klimperte dazu mit seinen langen Wimpern.
    »Wie lange bleibst du?«, fragte er leise.
    »Welchen Tag haben wir?«, fragte Afzal Khan zurück.
    »Es ist Montag heute.«
    »Dann werde
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