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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler
Autoren: Dominik Spreigl
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zu fliehen.
    Oder sie waren einfach starr vor Schreck in ihren Wohnungen geblieben, weil sie nicht wussten, wohin sie hätten fliehen sollen. Schließlich war der Weltuntergang nicht nur hier in den USA, sondern wie der Name schon sagte, überall auf der Welt nahezu gleichzeitig aufgetreten.
    Diese Entscheidung war gar nicht so dumm. Gerieten doch viele, die mit dem Auto geflüchtet waren in verheerende Eisstürme oder wurden durch Flutwellen von Brücken gespült und kamen dabei im bitterkalten Wasser um.

    Ohne Rücksicht auf Verluste rissen wir Kühlerhauben ab, wie andere Kinder Blütenblätter, und warfen sie wie Frisbeescheiben auf einen zehn Meter entfernten Haufen.

    Tropisch anmutende riesige Kletterpflanzen und Lianen wanden sich um Hochhäuser. Wie Würgeschlangen hielten sie ihre Opfer fest im Griff und hatten begonnen diese zu zerquetschen. Dazwischen Blumen, groß wie Elefanten, in den fantastischsten Farben.
    Überreife, giftig leuchtende, neonfarbene Früchte, an die sich noch Niemand herangetraut hatte, hingen von Bäumen herab. Lediglich wir benutzen sie als Fußbälle, wenn die Wächter uns einen Augenblick lang keine Beachtung schenkten. Mit einem wunderbaren »flatsch« zerplatzten diese Dinger und verteilten ihr Fruchtfleisch über die ganze Umgebung. Wir hatten schon die Hausfassaden der halben Stadt damit dekoriert.
    In manchen Gebäuden, in die nie ein Sonnenstrahl seinen Weg fand, konnte man wahre Eishöhlen finden. Eiszapfen jeder Größe und Form hingen von den Decken herab. Der Boden war glatt wie eine Eislaufbahn.
    Gleichzeitig zu diesen tropischen Auswüchsen und Eishöhlen gab es Landstriche außerhalb Manhattans, die fast wüstenartig anmuteten.
    Der Sand, der dort anfangs gelegen hatte, war von Feuerstürmen mittlerweile geschmolzen und zu Glas verwandelt worden.
    Wir Kinder nannten dieses Gebiet Kristallwüste.
    Einsätze in dieser Gegend machten viel Spaß, konnten wir doch so viel Glas zertrümmern, wie wir wollten. Es war herrlich! Es krachte und schepperte, alles ging zu Bruch, man konnte Frust ablassen und kaputt hauen was man wollte. Niemand kam und schimpfte.
    Das waren wohl die wenigen Momente, in denen wir unsere Eltern nicht vermissten. Den Wächtern war egal, was wir trieben, so lange wir unser Arbeitspensum erfüllten. Dämliche Sklaventreiber!

    »Hey, hör mal ne Sekunde auf. Siehst du das Haus dort drüben? Ich glaube, da hat sich was hinter den Scheiben bewegt.«
    In Sammy`s Stimme schwang Angst mit.
    Seine riesige Eisenpratze zeigte auf ein paar Wolkenkratzer, die infolge von Meteoriteneinschlägen teilweise zusammengebrochen und umgestürzt waren. Sie lagen nun aufeinander wie Stäbchen bei einem Mikado-Spiel. Wehe dem, der es wagen würde, sie zu bewegen. Angestrengt blickte ich hinüber, aber entdecken konnte ich rein gar nichts.
    »Nö, ich sehe überhaupt nichts. Bist du dir sicher? War vielleicht ein Tier oder irgendetwas hat sich im Wind bewegt.«, gab ich zurück.
    Sammy schien das nicht zu überzeugen.
    »Mmm, weiß nicht, schon möglich. Aber ich dachte wirklich, ich hätte einen Menschen gesehen.«
    »Einen Menschen? Hier draußen? Ganz allein? Ach, komm schon! Das glaubst du doch nicht wirklich, oder? Deine Fantasie geht mit dir durch.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Ein Mensch hier draußen, wie bin ich denn da drauf gekommen?! Wer wäre schon so verrückt und würde sich hier herumtreiben.«, gab Sammy zögerlich zurück.
    »Sind wohl nur meine Nerven. Wahrscheinlich drehe ich langsam durch.«, fügte er verlegen grinsend hinzu.
    Er kümmerte sich nicht mehr weiter darum, sondern vertiefte sich wieder in seine Arbeit. Ich hätte den Vorfall auch sofort als Schwachsinn abgetan und vergessen, aber etwas stimmte hier nicht.
    Als ich ein Eisenteil vom Boden aufheben wollte, warf ich einen Seitenblick auf unsere bewaffneten Begleiter. Alle drei blickten angespannt in die Richtung, in der Sammy die vermeintliche Gestalt entdeckt hatte.
    Wir konnten uns ja irren, aber die Wächter irrten sich nie.
    Mit dem unangenehmen Gefühl beobachtet zu werden, setzte ich meine Arbeit fort.

    Ich fragte mich die ganze Zeit über, wer uns beobachtet hatte. Aus dem Camp war es bestimmt niemand, das wüssten die Wächter ja. Tiere? Eher nicht. Oder waren es vielleicht welche der zahlreichen Feinde, die wir dort draußen hatten?
    »Gut möglich. Davon gibt es ja reichlich. Du hast die freie Wahl, uns hasst praktisch jeder. Auf Anhieb fällt mir keiner ein, der uns nicht an
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