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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler
Autoren: Dominik Spreigl
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auszumachen.
    Ich konnte seine Vorsicht verstehen. Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass wir die Einzigen in diesem Gebäude waren. Zumindest die Einzigen, die noch am Leben waren. Mit Sicherheit lagen hier noch irgendwo wurmzerfressene Leichen herum. So wie wahrscheinlich in jedem Gebäude in der Stadt. Auf früheren Arbeitseinsätzen hatte auch ich schon Tote entdeckt. Kein schöner Anblick. Meist kamen dann ein paar Wächter und fackelten mit Flammenwerfern die Leichen ab. Übrig blieb nur ein Häufchen Asche.
    Aber lebende Menschen oder Tiere waren mir noch nicht über den Weg gelaufen.
    Wer sollte sich in diesem Drecksloch schon freiwillig aufhalten?
    »Gibt es hier Strom? Es ist so verdammt dunkel, ich seh keinen Meter weit.«
    »Sieht der Laden so aus als ob es hier Strom gäbe? Das ist ne Bruchbude, hier gibt es nichts außer Ratten und Schimmel.«
    »Toll.«
    Nach kurzem Zögern fügte ich hinzu:
    »Liegt dir was auf dem Herzen? Du klingst so übellaunig, Ego.«
    »Irgendetwas geht dort draußen vor. Im Kollektiv herrscht helle Aufregung.«
    Und damit beendete er unsere Unterhaltung.
    »Und was interessiert mich der Dreck? Das Kollektiv scheißt sich doch andauernd wegen unwichtiger Dinge an.«
    Auf eine Antwort wartete ich vergeblich. Aber zum Glück hatte ich ja noch Brutus, der mich mit seinen treuherzigen Augen ansah.
    Die riesige Rolltreppe, die ins Untergeschoss führte, tauchte vor mir auf. Seit den Tagen der Apokalypse war sie in eine Art Winterschlaf verfallen.
    Aus meiner Transporttasche holte ich eine handvoll extrem starker Leuchtstäbe hervor und warf sie in die alles verschluckende Dunkelheit hinunter. Kurz darauf sprangen sie wie kleine Blitze an und trieben die Finsternis zurück. Die Rolltreppe schien intakt zu sein. Ich konnte sie wohl zum Abstieg nutzen.
    Bevor ich mich auf den Weg machte, aktivierte ich die Außenbeleuchtung von Brutus Anzug und die meinige.
    Im Umkreis von fünf Metern um uns herum war jetzt alles taghell erleuchtet. Was sich außerhalb des Lichts befand, blieb vor mir verborgen.
    Schritt für Schritt bewegte ich mich vorsichtig die Rolltreppe hinunter. Unter meinem enormen Gewicht ächzte und quietschte sie bedrohlich.
    Unten angekommen, fragte ich bei Ego nach:
    »Wo liegt denn der Supermarkt?«
    Keine Antwort, ich versuchte es nochmal, nichts. Tja, wenn man mal Jemanden braucht...
    Ich zückte eine riesenhafte Taschenlampe, in der Größe einer Straßenlaterne und machte mich auf die Suche.
    Am anderen Ende des Untergeschosses erblickte ich einen kaum mehr lesbaren »Super...« Schriftzug. Mehr war von der einstigen Leuchtreklame nicht übrig.
    Der Besitzer hatte seinen Laden vor dem Verlassen noch ordentlich verschlossen, ohne damals zu ahnen, dass er nie wieder zurückkehren würde.
    Alles bis auf die verschlossene Tür war von den Wetterkapriolen oder von Plünderern zerstört worden, aber vielleicht war noch etwas im Laden ganz geblieben.
    Durch das Schaufenster betrat ich den Supermarkt.
    Brutus trabte an mir vorbei. Mit erhobener Schnauze interessiert schnüffelnd, lief er in einen der langen Gänge hinein. Ich folgte ihm. Hier unten wollte ich nur ungern alleine bleiben.
    Das Furchteinflößende war nicht die Dunkelheit oder die unübersehbare Zerstörung.
    Es war die Stille!
    Außer leise tropfendem Wasser und unseren Schritten auf dem mit Müll übersäten Boden war hier nichts zu hören. Rein gar nichts. Es war wie auf einem verdammten Friedhof.
    Wir kamen an teilweise noch so gut wie unversehrten Regalen vorbei. Das Licht unserer Anzüge vertrieb die Dunkelheit, aber ich hätte mich wohler gefühlt, wenn wir im Eingangsbereich des Supermarktes geblieben wären.
    Über meine Schulter warf ich noch einen letzten Blick zurück. Hell erleuchtet wirkte der Rolltreppenaufgang wie eine Oase in einer Wüste der Dunkelheit.

    Langsam leuchtete ich die einzelnen Etagen der Regale ab.
    Brutus war schon ein paar Schritte vorgelaufen und schmiss übermütig einen Stapel mit Ravioli-Büchsen um. In der Stille klang es wie ein Donnerschlag.
    »Musste das jetzt sein?!«
    Ich hob die umher kullernden Dosen auf und legte sie in meine Tasche.
    Vorbei an leeren Warenauslagen und völlig unbrauchbaren Dingen, wie Büchern und Schulsachen, setzte ich meine Suche fort.
    Bücher, wer las heute eigentlich noch Bücher?
    Das war ja von vorgestern.

    Während der letzten Minuten war ich so ins Suchen vertieft gewesen, ich hatte gar nicht bemerkt, dass Brutus nicht mehr an meiner
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