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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler
Autoren: Dominik Spreigl
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rückwärts.
    Die Hälfte des Untergeschosses war mittlerweile pechschwarz. Immer schneller kam die Finsternis auf mich zugerast. Weg, nur noch weg von hier. Voller Panik stolperte ich rückwärts, versuchte mich durch die Menschenmassen zu quetschen. Nur weg von dem alles verschlingenden Schwarz und dem was darin lauerte.
    »Lasst mich durch! Aus dem Weg! Weg da!«
    Niemand machte Platz für mich. Jeder schien mir absichtlich den Weg zu versperren. Die, die ich auf meiner Flucht berührte, zerfielen unter meinen Händen zu Staub. Vorwurfsvoll blickten mich die anderen an. Mensch um Mensch wurden sie von mir zu Asche verwandelt. Ich brachte ihnen den Tod.
    »Ich bin nicht euer Feind. Er ist es!«
    Ich zeigte auf meinen Verfolger, aber sie ignorierten mich. Weiter und weiter kämpfte ich mich durch die Massen.
    Nur schleppend kam ich voran, es kostete mich enorme Anstrengungen. Meine Schuhe waren wie mit Blei gefüllt.
    Unerbittlich kroch die Schwärze näher. Selbst Lärm und Licht schienen von ihr geschluckt zu werden.
    Peng. Finsternis.
    Um mich herum völlige Dunkelheit. Kein Geräusch, keine Leute, die mich anrempelten. Einfach nichts mehr. Tastend versuchte ich mich fort zu bewegen.
    »Ganz ruhig, alles wird gut, nur ruhig.«
    Leuchtende Augen tauchten direkt vor mir aus dem Nichts auf. Viel, viel zu nahe für meinen Geschmack!
    »Ego!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!«, schrie ich aus Leibeskräften.

    Ein krachender Schlag presste mir die Luft aus den Lungen, ließ mich abrupt verstummen. Mehr als ein Röcheln brachte ich nicht zustande. Ich spürte den heißen Atem meines Monster-Verfolgers im Nacken. Das wars! Ich war geliefert, Ende aus, finito.
    Mein letzter Gedanke: »Putz dir die Zähne Monster, du stinkst aus dem Maul!«
    Reflexartig hatte ich die Augen geschlossen. Ich wollte das Ding nicht sehen. Ich wartete auf das Unvermeidbare. Nichts passierte.
    Es war die reinste Folter. Irgendwann hielt ich die Warterei nicht mehr aus.
    »Friss mich doch endlich! Worauf wartest du?«, dachte ich.
    Visionen von grauenhaften Ungetümen schossen mir durch den Kopf. Welches davon würde es wohl letztendlich sein? Eines mit zwei Köpfen und acht Augen oder nur einem Kopf und 6 Armen.
    In Erwartung des sicheren Todes öffnete ich vorsichtig ein Auge.

    Brutus.
    Brutus?
    Er stand über mir und starrte mich verwirrt an.
    Belämmert blickte ich mich um.
    Ich lag auf dem Boden. In meiner Wohnung.
    In meiner Wohnung?!
    Oh Gott, ein Traum, es war nur ein verfluchter Alptraum gewesen.
    Erleichtert ließ ich mich nach hinten umfallen. Ich atmete tief durch, schloss die Augen.
    Riss sie aber sofort wieder auf. Nein, nur nicht nochmal einschlafen!

    Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, dass es bereits Morgen war. Das künstliche Licht der Straßenbeleuchtung wich nach und nach den warmen freundlichen Sonnenstrahlen.
    Ich entschloss mich, den Tag heute ausnahmsweise früh zu beginnen. Was ja eigentlich gar nicht mein Ding war. Ich war der geborene Langschläfer und all diese Frühaufsteher waren für mich durchgeknallte Freaks und Wichtigtuer. Was zur Hölle verpasste ich denn, wenn ich bis 10 Uhr ausschlief? Nichts, rein gar nichts! Also zur Hölle mit euch Frühaufstehern.
    Noch schläfrig bewegte ich mich auf die schattige Terrasse hinaus, um an der frischen Luft meine Müdigkeit endgültig zu vertreiben.
    Das ganze Camp schien mit dem Eintreffen der Sonne zum Leben zu erwachen. Winzige Tautropfen auf den Bäumen und Gräsern im Park glitzerten und glänzten um die Wette. Die Sonnenstrahlen hatten mittlerweile meine Füße erreicht. Wohlige Wärme durchflutete meinen Körper. Mit meinem Taschenmesser schnitt ich Stück um Stück aus einem Apfel heraus und steckte sie mir genüsslich kauend in den Mund. Das Kernhaus schleuderte ich mit Schwung über die Brüstung.
    Irgendwann in ferner Zukunft würden hier bestimmt ein paar hundert Apfelbäume stehen. Ein ganzer Wald aus all den Kernhäusern, die ich auf diese Art entsorgt hatte. Und falls Kaugummis an Bäumen wachsen würden, gäbe es auch einen Kaugummibaumwald, schließlich spuckte ich täglich dutzende hinunter. Und mit ein bisschen Glück traf ich auch jemanden am Kopf. ;)
    Das Messer landete mit einem präzisen Wurf auf einer am Balkon stehenden Zielscheibe. Volltreffer! Zufrieden blickte auf das genau in der Mitte steckende Messer. Hah, ich wurde immer besser. Anfangs hätte ich aus drei Meter Entfernung noch nicht mal ein Hochhaus getroffen.

Der erste Teil des ersten
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